Leif lächelte und passte sich dem Schritt der Frau an. die sich gerade bei ihm einhakte. „Mysteriöse Schönheit verzeiht meine Direktheit, aber ich wolle sichergehen, dass keine Verwirrung über meine direkten und überaus ehrbaren Absichten aufkommen könnte.“ Er zwinkerte ihr zu und lachte dabei. „Also verratet mir, was macht eine so wertvolle Blume wie ihr in einer Ruine wie dieser Stadt? Was ist hier in Calais geschehen?“
Sie zwinkerte ihn von der Seite an. „Mein teurer Freund, ihr seid immer so vorschnell.“ Ihr Schritt hatte etwas Beschwingtes. „Lasst euch nicht von Äußerlichkeiten täuschen. Eine Blume mag schön anzusehen sein, doch nach Blut duften, eine Stadt scheinbar an ihrer eigenen Pestilenz ersticken, doch ist es in beiden Fällen lohnenswert zwei Mal hinzuschauen.“
Leif zwinkerte kurz und bemühte dann sein Auspex auf die Frau neben sich.
Die Umgebung verlor sich in dunklem Zwielicht während das Antlitz der Schönheit neben ihm in den Fokus rückte. Obwohl ihre Aura von einer kräftigen Farbe war erschien er ihm einen Hauch blasser als gewöhnlich.
"Ich sehe ihr seid mit der Nacht und ihren Geschöpfen noch vertrauter als ich von euch erwartet hatte." Leif sagte diese Worte schlicht und ohne Wertung. "Gibt es etwas Besonderes, dass ich, ebenso als jemand der sich der Nacht verbunden fühlt, wissen müsste oder sollen wir mit diesem Thema warten bis wir in euren Räumlichkeiten angekommen sind?"
Die Frau blieb mitten in der Bewegung abrupt stehen, wandte sich zu ihm um. Ein fragender und misstrauischer Ausdruck legte sich über ihre Züge. Sie dachte nach, fuhr ihm dann behutsam mit dem Zeigefinger über die weichen kalten Lippen. Dann breitete sich wieder das wissende Lächeln über ihr Gesicht aus.
„So einer seid ihr also?“ Sie hakte sich erneut bei euch unter. „Vor eurereins muss sich ein tugendhaftes Mädchen wie ich in Acht nehmen. Ihr seid in der Lage einer Frau wie mir den in übermenschlichem Maße den Kopf zu verdrehen. Ihr macht schier wahnsinnig vor Lust.“ Sie fuhr sich mit der Zungenspitze genießerisch über die Lippen. „Führt mich doch bitte nach Hause. Keine Angst, es ist nicht weit“
Leif war von der koketten Art seiner Begleiterin amüsiert und spielte das Spiel gerne mit. „In der Tat tugendhafte und ehrliche Bürger dieser Grafschaft wie wir es sind müssen immer aufpassen mit wem sie sich abgegeben insbesondere zu so später Stunde. Führt mich nur in euer Reich – ich bin sicher es wird mir mehr bekommen als diese kalte und wenig einladende Stadt die sich Calais nennt. Doch verratet mir ein Geheimnis, Schöne? Ich werde euch eines eurer Wahl im Gegenzug verraten. Wie ist euer Name, Blume der Nacht?“ Leif fühlte sich sichtlich wohl und ging in beschwingtem Schritt durch die Straßen. Die Frau neben ihm konnte es nicht wissen, aber er fühlte sich einen Moment in der Zeit zurückgesetzt. Eine Zeit in der alles noch einfacher war und er ein Hurenhaus in Brügge besaß.
Sie führte ihn durch die engen Gassen der Stadt, verließ die enger bebauten Gegenden. Dann überquerten sie eine hölzerne Brücke, die über einen kleinen Fluss führte. Die Häuser, die hier standen waren gut gebaut, teilweise gar prunkvoll verziert, doch Leif war eines sofort bewusst. Hier lebten die ungern Gesehenen der Gesellschaft, die Bastarde des Bischofs, der gut bezahlte Henker, die besser gestellten Prostituierten.
„Ihr dürft mich Konstanze nennen, nächtlicher Reisender. Und wie soll euer Name für diese Nacht sein?“
Sie führte ihn durch einen üppig mit Blumen überrankten Vorhof und durch eine schöne, mit Intarsienarbeiten verzierte Hauptpforte in ihr Reich.
Leif sog die Umgebung, die sich ihm bot, auf wie ein Schwamm das Wasser. Er hatte tiefen Respekt vor jenen Leuten die das Beste aus den Karten holten, die die Nornen ihnen zuteilten und dieses Viertel war ein eindrucksvoller Beweis dafür. „ Konstanze, die Standhafte – ein wahrlich bezeichnender Name für eine bezeichnende Frau. Mich könnt ihr einfach Leif nennen. Ein Name der keine besonderen Bedeutung hat, mich aber für die heutige Nacht durchaus repräsentiert.“ Er lächelte breit und ließ sich von seiner Begleitung in ihr Reich führen, obwohl er aufpasste den Flammen nicht zu nahe zu kommen die den Raum überall in ätherisches Licht tränkten und einen feinen Geruch nach Talg in der Luft hinterließen.
Die Frau ließ sich von einem jungen Mädchen aus ihrem Mantel helfen, gab diesem dann wohlwollend ein Zeichen sich zu entfernen. Die wohl 14 jährige nickte nur, nahm auch Leif schweigend den Mantel ab und verschwand dann rasch aus dem Zimmer.
Die Frau, die sich als Konstanze vorgestellt hatte schlenderte mit grazilem, fast ein wenig anrüchigem Gang, zu einem der Polstermöbel im hinteren, dunkleren Bereich und ließ sich galant in die Kissen gleiten. Sacht tätschelte sie auf das Samt des Platzes neben sich und schenkte ihm ein Lächeln. Sie wartete bis er sich näherte.
„Ich hatte dereinst einen Liebhaber eurer Art.“ Sie schmunzelte wieder zweideutig. „Er hat mich mit allem was er tat schier um den Verstand gevögelt. Eine herausragende Erfahrung.“ Sie wartete bis er sich gesetzt hatte und griff zu einer bronzenen Karaffe, goss sich roten Wein in ein Glas, den sie im Licht einer Kerze langsam schwenkte. „Was darf ich euch kredenzen?“ Sie beugte sich näher zu ihm heran, fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen.
Leif ließ sich weiter auf das Spiel ein wenn auch ein weniger sachter als seine Begleitung. "Wie wäre es denn mit ein wenig von diesem wundervollen Wein?“ Leif wartete bis sie ihm eingeschenkt hatte und nahm einen tiefen Zug von dem blumigen Bouquet. „Aber wie wäre es denn darüber hinaus mit ein paar Informationen? Ich bin ein weitgereister Mann mit politischem Interesse und ich würde es genießen ein wenig mehr über die hiesigen Verhältnisse zu erfahren, schließlich muss ich nicht jeden Tag über eine Mauer klettern um in ein Stadt zu gelangen, da mir ein paar komische Papiere fehlen.“ Er lächelte und trank weiter seinen Wein mit Genuss.
Konstanze stieß mit ihm an, bevor sie erneut an dem edlen Getränk nippte. „Ein Edelmann wie ihr, dem es nach einfachem Wein verlangt? Wie tugendhaft ihr doch seid! Und des Weiteren jemand, der sich auch von den unsinnigen Ideen der Obrigkeit nicht abschrecken lässt? Wie mutig…“ Sie lachte sanft. „Uns hier in diesem geliebten Zuhause hat man untersagt unserer Beschäftigung nachgehen zu dürfen. Tse. Dabei hat sich selbst der Heilige Augustinuns für unser Gewerbe ausgesprochen… Man möchte ja nicht, dass der Tugendhaftigkeit der christlichen Jungfrauen nachgestellt wird, weil es den Mann dort drückt woran ein Mönch nicht einmal zu denken wagt, nicht wahr?“ Sie lehnte sich in die Kissen zurück. Da sie nun ihren Mantel abgelegt hatte konnte Leif ihr üppiges Dekolletee sehen. „Und nun seid ihr hier und es dürstet euch nach Informationen?“
Leif lächelte verschmitzt und legte seinen Mantel ab und machte es sich ein wenig bequemer auf den Liegen, rückte aber auch ein kleines, fast unmerkbares Stück von Konstanze ab. „Ihr wisst wie es ist.“ Er ließ den Wein ebenso wie sie seine Gesprächspartnerin zuvor im Glas kreisen. „Hunger und Durst, zwei unterschiedliche Bedürfnisse, fallen doch so oft zusammen und es ist immer schöner beide Bedürfnisse zusammen zu stillen. Genauso ist es gerade mit Neugier und Lust.“ Leif stellte sein Glas geräuschvoll auf dem Tisch ab, schaute seiner Gegenüber direkt in die Augen. „Und da euer Gehirn ebenso ‚rausgevögelt‘ sein wird wenn wir fertig sind wie bei eurer vorherigen Begegnung mit einem meiner Art würde ich doch gerne das eine Bedürfnis stillen, bevor ich mich um das andere kümmere.“ Er lehnte sich zurück mit einem Grinsen und nippte wieder an seinem Wein, den er mit einer flüssigen Bewegung vom Tisch aufgehoben hatte.
Sie lachte fast herzlich auf. „So verführerisch euer Angebot auch sein mag, ich habe mir einmal bei einem wie euch die Finger verbrannt. Ein wunderbares Gefühl… Wer sich mit euch einlässt, der wird von eurer schieren Existenz bereits so in seinen Bann gezogen, dass er keinen klaren Gedanken mehr zu fassen vermag. So wunderbar es auch sein mag, der Schmerz den man empfindet wenn ihr euren eigenen Belangen nachgeht und unsereins vergesst ist eine genauso eindrucksvolle Erinnerung.“ Sie lehnte sich in den Kissen zurück, spielte ein wenig gedankenverloren wirkend mit den Bändern ihres Dekolletés. „Was möchtet ihr wissen, Leif? … das Leben… nebenbei ausgesprochen passend, findet ihr nicht?“
Auch Leif lehnte sich zurück und leerte das Glas in einem beherzten Zug. „Nun wenn ihr so direkt fragt. Ich will wissen wie man dieser Tage sicher und unbehelligt nach England übersetzten kann, oder wen man bestechen muss um das zu tun. Dabei habe ich noch zwei Leute außerhalb der Mauern was es zu bedenken gilt und ich würde nur wirklich ungern ein Boot stehlen und selber über den Kanal lenken wenn ich dies vermeiden kann.“ Er wartete auf die Reaktion seiner Gastgeberin mit purem Interesse.
Konstanze nahm ihr Glas, nickte überlegend daran. „Ihr begebt euch in den Morgen- bis Mittagsstunden zu einem der Rathäuser in der Gegend, legt jegliches Papier, das eure Existenz nachweist vor und erscheint mit einem öffentlich anerkannten Leumund, der für euch bürgt.“ Sie legte den Kopf leicht schief, wusste offenbar, dass er von ihrem Vorschlag wohl wenig profitieren würde.
"Und die Alternative für diese Vorgehen, so ganz ohne Leumund und Mittagstunen?" Seine Stimme wurde geschäftiger.
Wieder beugte sie sich vor, näherte sich ihm langsam. „Wie immer gibt es Alternativen: ihr könntet nächtens die Papiere von einem unvorsichtigen Wanderer ausleihen, doch ist es durchaus schwierig, jemanden zu finden, der dem Äußeren nach euch gleichen möge, ihr könntet versuchen in die Ratsstuben zu gelangen, kurz die offiziellen fälschungssicheren Siegel verwenden um zu dem zu werden, der ihr schon immer sein wolltet, oder ohr bestecht die richtigen Leute. Das jedoch, mein nächtlicher Wanderer, ist in diesen Nächten eine teure Angelegenheit.“ Ihr Kleid rutschte ein wenig zur Seite, entblößte ihre perfekt geformte Wade, dann die straffen Schenkel.
"Die Leif verbeugte sich leicht von seiner sitzenden Position aus. „Und wieder habt ihr mir geholfen mich ein Stück heimlich und vertraut in dieser fremden Stadt zu fühlen Blume der Nacht. Die Ratsstuben klingen nach dem Ort meiner Bestimmung und ich werde mich auch schon bald auf den Weg machen müssen.“ Er stand auf und verbeugte sich noch einmal graziös und der Etikette entsprechend die sonst einer Edeldame zukommen würde. „Doch sagt mir noch was begehrt ihr für eure Dienste? Sind es Münzen oder gibt es ein Leiden das euch plagt von dem ich euch als Gegenleistung für immer befreien könnte, denn die Profession des Medikus ist mein Beruf? Bedenkt ihr könnt die Münzen noch immer verlangen wenn ihr mit meiner Arbeit nicht zufrieden sein solltet.“ Leif zwinkerte ihr wieder zu.
Sie schüttelte lächelnd das Haupt und ihre hellen Locken flossen um ihre Wangen wie Wasser. Sie legte prüfend einen Finger an die Lippen. „Wenn ihr mir eine kleine Gefälligkeit erweisen möchtet… Ich habe eine Schülerin, ihr habt sie bei unserer Ankunft erblickt. Zarte 15 Jahre alt. Sie hört seit sie zu uns gestoßen ist auf den Namen Rose, Ich möchte, dass sie erfährt, dass es Verlangen und Befriedigung weit jenseits des Vorstellbaren gibt. Es wäre eine große Güte, wenn ihr sie um diese glückliche Erfahrung bereichert.“
Leif lächelte mit seiner typisch bezaubernden Art und Weise und strecke sein Hand aus um das Gesicht seiner Informantin zu streicheln. „Sicher erfülle ich euch jeden Wunsch teuerste. Ihr habt mir so viel geholfen, wie könnte ich auch nur darüber nachdenken euch irgendetwas verwehren?“ Natürlich hatte Leif keinerlei Interesse daran sich mit einer Frau auseinanderzusetzen die 208 Jahre jünger war als er, aber er musste Konstanze Berühren um seine Disziplin einzusetzen und wollte sie deshalb in Sicherheit wiegen. Noch mit den honigsüßen Worten die er sprach, ließ er seine Kräfte wirken uns versuchte Konstanze einschlafen zu lassen.
Die Frau genoss sichtlich die Berührung seiner kühlen Haut, sie schmiegte sich wie eine Katze an seine Finger, schloss genießend die Augen um sie dann nach einer gefühlten Ewigkeit wieder rasch zu öffnen. Sie zeigte erneut ihr verführerisches Lächeln und zog ihn fast etwas ruppig zurück zu sich auf die Couch. Sie beugte sich über ihn und hauchte ihm einen Kuss auf die kalten Lippen. „Das war nun aber wirklich sehr unhöflich von euch, euch so von mir verabschieden zu wollen.“ Wieder war das leichte Schmollen zu erkennen, dann erhob sie sich. „Wenn ihr gehen wollt, dann solltet ihr das einfach tun.“ Sie griff nach dem Wein, prostetete ihm noch einmal zu, ihr strahlendes Lächeln im Gesicht und leerte dann das Glas.
Leif war kurz verwirrt, den auch wenn sein Versuch sie zum Schlafen zu bringen fehlgeschlagen war, hätte sie eigentlich nicht merken dürfen. Nun egal, vermutlich war sie mehr mit dem übernatürlichen vertraut als er auch nur ahnte. Trotz allem beendete Leif nun das ganze Spiel indem er auf Konstanzes letztes Angebot einging, nicht aber ohne noch eine kurze Erklärung beizufügen, denn die hatte sie seiner Meinung nach verdient. „Nun denn Konstanze ich nehme euren Ratschlag an und verabschiede mich von euch. Leider muss ich euch, der Blume der Nacht, nun doch einen Wunsch, den eurer Bezahlung abschlagen, denn es gibt nur einen Menschen den ich wirklich Liebe und ich würde diesen nie betrügen auch wenn dieser Mensch schon vor 177 Jahren gestorben ist. Lebt wohl Konstanze und mögen euer Geschäft immer erfolgreich sein.“
Sie nickte, legte dann doch den Kopf leicht schief und sah ihm hinterher als er ging. Ihre Worte, die er hinter sich vernahm waren leise. „In unserem Beruf geht es selten um Liebe. Aber es mag wichtig dabei sein zu wissen, dass man Leidenschaft empfinden kann. Und wenn es auch nur durch einen Kuss ist.“
Die Worte der Frau, die sich selber Konstanze nannte waren in jeder Hinsicht vielschichtig und mehrdeutig. In Leifs Gedanken formte sich wieder das Wort des Kusses und er schüttelte kurz den Kopf. Ihre Worte waren mehrdeutiger und tiefer als diese Frau wohl überhaupt je ahnte. Leif ließ die Räumlichkeiten, die er gerade besucht hatte, sowie das ganze Viertel der Verstoßenen hinter sich und suchte nach den Ratsstuben. Trotz allem half das neue Ziel nicht gänzlich seine Gedanken abzuschalten. Insbesondere seine Gedanken an Knut waren plötzlich präsent wie so lange nicht mehr. Das tiefe Lachen, der kräftige Händedruck oder die Hitze die er auch in kältester Nacht wie ein Kamin abstrahlte waren plötzlich für den Salubri so real wie lange nicht mehr und er musste eine kurze Pause machen um die Erinnerungen zu sortieren. Knut war tot – seit nunmehr 177 Jahren und keine Macht der Welt würde ihn je wieder zurückzubringen. Aber Leif erinnerte sich an den bärtigen Mann und irgendwie erreichte er so auch eine Art der Unsterblichkeit, die reiner war als die die nun durch Leifs Adern floss. Was für eine Nacht dachte sich Leif, betrübter als zuvor und entfernte sich eine blutige Träne aus dem Augenwinkel um Ausschau nach den Ratstuben zu halten.
Leif hatte keine Ahnung wo sich die Ratsgebäude in Calais befanden. Die Stadt war groß und unüberschaubar. Dennoch war ihm bewusst, um die Suche etwas einzugrenzen, würde er sich im Zentrum der Stadt umschauen müssen.
Die Ratshallen mussten ein auffälliges Gebäude sein. Erfolgreiche Leute und da gehörten Räte sicherlich dazu, liebten es ihren Erfolg auf diese Weise zur Schau zu stellen. Es war offensichtlich ein Gebäude zu verzieren aber meist nicht protzig und jeder der zu einem kam wurde immer wieder an die Macht und Einfluss erinnert die man besaß indem man zum Beispiel ein solch schönes Gebäude errichtete.
Leif fand das Zentrum der Stadt und auch die Häuser, die einem Ratsgebäude entsprechen mochten. Allerdings kostete ihn die Suche wertvolle Zeit. Schließlich gelangte er an ein Haus vor dem ein großes, protziges Schild hing: Ratsgebäude“. Leif ging darauf zu, erkannte jedoch im letzten Moment zwei patronierenden Wachen und wich mit einer hastigen Bewegung in die dunklen Schatten einer rabenschwarzen Gasse aus Es gelang ihm nicht gesehen zu werden.
Leif musste sich einmal kurz hinter eine Mauer zurückziehen um den Wachen der Ratsstube zu entgehen und versenkte dabei den letzten guten Stiefel in der Schlammpfütze. Toll, dachte er sich ein sarkastisch. Jetzt kann ich beide wegschmeißen. Trotzdem konzentrierte er sich wieder auf sein Ziel und sobald die Wachen außer Sicht waren würde er sich zum Haupteingang bewegen um so vorsichtig und unauffällig wie möglich das Schloss zu knacken.
Leif schlich sich im Schatten der hohen Häuser näher und näher. Er war leise, geschickt und überwand auch die Treppe zum Portal des edlen Gebäudes ohne auf sich aufmerksam zu machen. Obwohl seine Stärken eindeutig in einem anderen Metier zu setzen waren erinnerte er sich an alles, was er in seiner langen Existenz gelernt hatte und in kurzer Zeit gelang es ihm das Schloss zu öffnen. ER schlüpfte ins Innere der Ratsstube. Drinnen war es stockfinster. Nur mit seinen übersinnlichen Fähigkeiten gelang es ihm überhaupt etwas zu erkennen.
Der Nordmann dankte einmal wieder den Diebesfähigkeiten die er über die Jahrzehnte erlernt hatte, denn sie waren nach wie vor sinnvoll und manchmal sogar äußerst nützlich. In dem Gebäude war es so dunkel, dass er sein Auspex aktivierte um seine 5 Sinne zu stärken. Vielleicht konnte er mittels besserem Tast-, Geruchs-, und Sehsinn der auch die den kleinsten Funken Licht verstärkte die Kammer finden in welchem das Siegel das er brauchte aufbewahrt wurde.
Leif fiel es ausgesprochen schwer sich in dieser Ratsstube zurecht zu finden. Er war nicht mit der Art der flandrischen Bürokratie vertraut, tat seltenst einen Schritt in diese Gebäude. Er erinnerte sich schließlich an eine seltsame Begebenheit von der Alida mal erzählt hatte nachdem sie ihm berichtet hatte wie sie zu dem Geheimbund „Augen von Brügge„ gestoßen war, einem Siegelstock und kopiertem scheinbar fälschungssicherem Siegelwachs und ihre Beschreibung der Gegenstände. Mit Mühe gelang es ihm Gegenstände zu finden, die der Schilderung entsprachen. Er breitete schließlich alles vor sich aus. Es waren vorgefertigte Unterlagen in denen die persönlichen Daten sowie das Äußere und der Leumund, der für alles bürgte, einzutragen waren.
Leif atmete unnötigerweise, aber trotzdem hörbar erleichtert aus. Er hatte gefunden wonach er gesucht hatte und begann die Fälschungen für sich selbst, Gretlin und John herzustellen. Dokumente für die Überfahrt nach England und überhaupt um die Stadt zu betreten.
Leif gelang es mit seiner ordentlichen Schrift, mit den vorgefertigten Dokumenten und dem Wachs fast perfekte Fälschungen zu erstellen. Er hatte keine Ahnung welchen einflussreichen Bürger aus Calais er eintragen konnte also schreib er einfach Heinrich Müller hinein. Die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Müller dieses Namens gab, war nicht von der Hand zu weisen. Schließlich pustete er ein letztes Mal über die dunkle Tinte damit sie schneller trocknete und verstaute die Unterlagen in hölzernen Bullen, die er fest verschloss und unter sein Wams klemmte. Er machte sich auf um Richtung Tür zu schreiten als er plötzlich ein seltsames Geräusch vernahm. Das schartige Geräusch von Metall… wie eine Klinge, die aus ihrer Scheide gezogen wurde.
Natürlich. Natürlich dachte sich Leif. Es hätte einfach sein können, aber das war es natürlich nie. Trotzdem traf er seinen eigenen Vorbereitung ob des sehr bekannten Geräuschs und zog die Axt die er immer unter dem Mantel verbarg. Dann sprach er mit fester Stimme. "Zeigt euch und lasst uns reden." Es war wohl an der Zeit dacht sich Leif das Worte ihn auf dieser Reise nicht mehr unbedingt weiterhelfen sollten.