Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Re: Eisen und Blut
BeitragVerfasst: Sa 6. Aug 2016, 09:16 
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Alida sah ihren Neffen mit geweiteten Augen irritiert an. „Andros ist was…?“ Sie war viel zu entsetzt um ein weiteres klares Wort heraus zu bekommen, sondern griff nach seiner Hand. Zum einen um sich zu bestätigen, dass nicht wieder ein Geist vor ihr stand, zum anderen um irgendwo Halt zu finden.
Das konnte nicht wahr sein… Andros war ein Mann, den sie über alle Maßen schätzte: ehrlich, pflichtbewusst, gradlinig, zuverlässig und wie sie Mitglied der Augen von Brügge. Sie war froh gewesen, dass er damals ihr Angebot, Vorarbeiter der van de Burse zu werden, angenommen hatte und sie hatte es in keinem einzigen Augenblick bereut. Sie biss die Zähne aufeinander und schluckte um das bittere, leere Gefühl des Verlustes herunter zu würgen, aber der stechende Schmerz blieb.
Noch immer ungläubig schüttelte sie den Kopf, sah zu Frederik. „Ich…“ Sie atmete erschöpft aus und schüttelte den Kopf. „Keine Stadtwache… vorerst. Ich gehe nachsehen. Dann können wir immer noch handeln.“ Das zumindest war sie Andros schuldig. Hilflos sah sie zu Frederik, versuchte sich dann aber zusammen zu reißen und straffte die Schultern.

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Verfasst: Sa 6. Aug 2016, 09:16 


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 Betreff des Beitrags: Re: Eisen und Blut
BeitragVerfasst: Fr 12. Aug 2016, 09:31 
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Die eisigen Finger der Händlerin berührten die ebenso kalte Hand ihres Verwandten. Er drückte sanft ihren Arm und seufzte. Alida spürte das Frederik genauso betroffen war wie sie selbst. Der junge Vampir flüsterte beinahe. “Ich habe behauptet das ganze Lagerhaus musste wegen eines Diebstahls abgesperrt werden. Das sollte dir alle Zeit verschaffen die du brauchst ohne irgendwelche Fragen aufzuwerfen.” Frederik ließ sich in einen der weich gepolsterten Sessel fallen und schüttelte den Kopf. Das Holz des Rahmens ächzte ein wenig unter dem Gewicht des Toreadors während er sich etwas bequemer positionierte. Er suchte Alidas Blick und sprach mit einer Stimme die weniger an Terror oder Trauer erinnerte, sondern eher an etwas das sie schon gelegentlich bei Gerrit wahrgenommen hatte. Müdigkeit. “Weißt du Alida immer wieder passiert etwas. Mord, Diebstähle, Intrigen...Die Liste könnte ich ewig so weiterführen. Glaubst du es hört jemals auf?”

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 Betreff des Beitrags: Re: Eisen und Blut
BeitragVerfasst: So 14. Aug 2016, 07:53 
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Alida spürte in diesem Moment das gleiche Gefühl von Erschöpfung, das sie in der Stimme ihres Neffen vernahm. Sie hatte im Osten so viel erreicht, sich endlich vom Misstrauen und Hass der Familie ihre Erzeugers befreien können, und doch holte die Nacht sie immer wieder ein und hielt ihr vor wie vergänglich und nichtsbedeutend doch ein Erfolg sein konnte. Was wäre, wenn der Dämon tatsächlich Recht behalten sollte?
Sie schüttelte den Kopf, suchte den Blick der blau-grauen Augen ihres Verwandten. Dann ergriff sie erneut seine Hand und sah ihn fest an. „Frederik? Hör mir zu!“ Sie biss sich auf die Lippen, suchte nach den richtigen Worten, die sich unglaublich schwer finden ließen. Sie zögerte einige Augenblicke bevor sie weitersprach. „Ich will, dass du weißt, wie dankbar ich bin. Für alles, was du tust, getan hast… Für diese Familie und für mich. Du handelst nach den Prinzipien unserer Familie, Familie, Ehre, Pflicht, und ich weiß, das ist oftmals alles andere als leicht. Du hast keine Ahnung wie unglaublich entlastend es ist, einen Teil der Verantwortung abgeben zu können. Nicht nur an dich, sondern auch an deinen Vater Christian, Marlene, Alyssa, an Georg…und an all die anderen, denen die Zukunft der Menschen, die wir lieben, nicht egal ist. Aber du und ich, wir beide tragen unser eigenes schweres Bündel, da wir zugleich Schutz als auch Gefahr für alle sind und das macht es besonders schwer.“ Sie sog tief die Luft ein und wandte den Blick ab bevor sie leise fortfuhr. „Danke.“ Eindringlich blickte sie in sein Gesicht. „Wenn… wenn eines Tages tatsächlich einmal alles so aussieht als wenn es zu gefährlich werden sollte… hier in Brügge... und ich dich nicht unterstützen kann. Dann bring unsre Familie von hier fort, ja? Hier in Brügge sind unsere Wurzeln, aber wer weiß, ob hier unsre Zukunft liegt? Es soll Bäume geben, das habe ich in Legenden mal vernommen, die in der Lage sind zu wandern…“ Sie schmunzelte leicht um die Situation aufzulockern. „Und wenn dir das nicht gelingen kann, oder du nicht in der Lage dazu bist, dann schnapp dir diejenigen, die dir wirklich etwas bedeuten, Marlene, Florine und ihre Familie, und dann geh mit ihnen wohin du für richtig hältst. Die van de Burse sind mittlerweile ein Baum mit so vielen Ästen, dass es schwer wird die Zweige zu zählen… Ich hab mein Bestes gegeben, ihr zu einem guten Start zu verhelfen. Mehr konnte ich nie tun. Sie wird auch ohne uns klar kommen können, denn sie sind stark genug dazu. Da bin ich mir sicher.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Eisen und Blut
BeitragVerfasst: So 14. Aug 2016, 15:50 
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Frederik legte den Kopf in den Nacken und schien einen Moment nachzudenken. Langsam nickte er und suchte den Blick der Tzimisce. “Danke Alida. Nicht nur für deine wunderbaren Worte, sondern auch für alles was du immer wieder für uns auf dich nimmst um unsere Familie und ihr Erbe zu beschützen. Ich weiß das du über all die Jahre und Jahrzehnte mehr aufgegeben hast um diesen, unseren Baum zu beschützen als du jemals zugeben würdest.” Frederik erhob sich und schaute auf die Flammen die langsam in dem kunstvoll verzierten Kamin erstarben und nichts als ein paar rot-glühende Überreste hinterließen.
Er schluckte und schien wie seine Verwandte zuvor nach Worten zu suchen. Seine Stimme klang belegt. “Ich habe trotzdem Angst Alida. Angst vor dem Moment in welchem wir jemanden beerdigen müssen der uns wirklich nahe steht und der sein Ende nicht durch hohes Alter oder eine Krankheit gefunden hat, sondern einfach weil man uns verletzten will. Nicht unsere Familie sondern dich oder mich, weil wir in dieser dunklen Welt mit all diesen...diesen Monstern zu tun haben müssen.” er schüttelte mit dem Kopf und seufzte tief, bevor er sich umdrehte und lächelte, wenn auch nicht gänzlich überzeugend. “Aber genug von diesen dunklen Gedanken.” er nahm ihre Hand. “Ich verspreche dir, dass egal was passiert ich auf so viele von uns aufpassen werde wie ich kann. Trotzdem hoffe ich das es niemals soweit kommt, selbst wenn dieser Traum vielleicht töricht ist.” Frederik ließ Alida los und ging zum Fenster. Die Sturmfront die an Brügge vorbeigezogen war, konnte man immer noch in der Ferne wahrnehmen. Er drehte sich um. “Du solltest jetzt zum Lagerhaus gehen. Tu was du tun musst und dann sollten wir uns um Andros kümmern. Er war ein guter Mann und hat es verdient ein wenig Frieden zu finden.”

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 Betreff des Beitrags: Re: Eisen und Blut
BeitragVerfasst: Mo 15. Aug 2016, 07:42 
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Alida sah zu ihrem Neffen auf dessen Gesicht sich der rötliche Lichtschein des Feuers widerspiegelte. „Wir sind, so denke ich zumindest, sowohl Segen als auch Fluch für diese Familie. Wir sind in der Lage sie vor so viel mehr zu schützen als es ein Sterblicher je tun könnte und zugleich bringen wir Gefahren mit uns, die wahrscheinlich selbst für uns nicht überschaubar sind. Das man versuchen wird den Menschen zu schaden, die uns wichtig sind um uns dabei zu treffen, das wird, da bin ich mir sicher, immer und immer wieder geschehen, aber das wäre ebenfalls unser Schicksal wären wir noch immer sterblich. Du bist nach deinem Vater der offizielle Anführer der van de Burse…“ Sie verschränkte die Finger ineinander. „Frederik? Ich möchte nicht, dass du mir etwas versprichst. Ich habe meinem Bruder damals geschworen auf seine Kinder aufzupassen.“ Sie schmunzelte. „Das war ein Leichtes bei den beiden. Evelyn und Frederik wussten selbst immer am besten was gut für sie war und ich hab die beiden geliebt. Aber das war mein Eid, nicht der deinige. Tu was du kannst, was du für richtig hältst. Dann bin ich dir auf ewig dankbar.“ Sie lächelte ihm aufmunternd zu und erhob sich dann ebenfalls. „Ich sollte gehen.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Eisen und Blut
BeitragVerfasst: Mo 15. Aug 2016, 09:52 
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Frederik sah sie lange an und schien über ihre Worte nachzudenken. Dann lächelte er und zum ersten Mal an diesem Abend erreichte die Emotion auch seine Augen. “Keiner aus unserer Familie weiß wie glücklich sie sich schätzen können das sie dich haben. Ich mag der offizielle Anführer sein, auf dem Papier zumindest, aber du bist unser Herz und unsere Seele.” der Toreador straffte sich. “Sorge dich nicht zu sehr um mich Alida. Ich stelle mir nur gerade ein paar Fragen, vielleicht sogar eine ganze Menge auf die ich eben noch nicht immer eine Antwort gefunden habe, aber ich denke ich bin auf dem richtigen Weg.” Frederik legte einen großen Schlüssel neben das Schachspiel auf dem kleinen Tisch. “Den wirst du brauchen. Ich habe alles verschlossen. Du kannst mich später informieren, aber ich habe auch noch ein paar Dinge zu erledigen. Ich werde mich in die Schreibstube zurückziehen. Viel Glück und...und lass dich von dem Anblick nicht zu sehr abschrecken.”

Alida ging mit festem Schritt durch das Hafenviertel und erreichte ihr Ziel ohne größere Zwischenfälle. Sie hätte den Weg auch blind gefunden, aber die ganze Anlage so still zu sehen fühlte sich gelinde gesagt falsch an. Normalerweise gab es hier immer etwas zu tun, denn Schiffe mit ihren Waren legten zu jeder Tages- und Nachtzeit an. Dann konnte man immer die Stimmen von Matrosen mit ihren fremden Akzenten, oder das Rattern der Flaschenzüge ausmachen. Jetzt war alles gespenstisch still und nur ein Rabe krächzte auf dem Dach. Schließlich drehte sie den Schlüssel in dem großen Schloss und öffnete die Haupttür des Kontors.
Das Innere des Lagerhauses war noch immer von flackernden Kerzen erleuchtet die beinahe heruntergebrannt waren. Trotzdem roch Alida was passiert war bevor sie es sah. Blut, eingetrocknet auf dem Boden, eine ganze Menge sogar und die Quelle war mehr als offensichtlich. Der tote Körper von Andros war noch immer auf einen Stuhl gefesselt und hing in einem unheimlichen Winkel daran herab. In dem dimmen Licht konnte sie die Wunden ausmachen, aus denen er wohl verblutet war, aber sie sah auch Brandwunden und diverse andere Spuren der Folter. Irgendjemand hatte ihn leiden lassen, warum konnte man nur ahnen. Soweit Alida wusste hatte Andros keine Feinde. Er wurde als Vorarbeiter respektiert, leistete gute Arbeit und hatte sogar die Disziplin besessen in seinem fortgeschrittenen Alter noch Lesen und Schreiben zu erlernen um die Ein- und Ausgänge der Waren persönlich überprüfen zu können. Er hatte ein grausames Ende gefunden. Seine offenen, leeren Augen schienen sie anzustarren.

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 Betreff des Beitrags: Re: Eisen und Blut
BeitragVerfasst: Mi 17. Aug 2016, 20:45 
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Alida taumelte mehrere Schritte rückwärts bevor sie sich umwandte, nach draußen schritt und die Tür hinter sich zuschlug. Sie riss die Hand zum Mund und verhinderte mit Mühe, dass sie das Blut, dass sie zu Beginn des Abends zu sich genommen hatte im Schwall wieder erbrach. Das Gefühl von Ekel und ohnmächtigem Grauen hatte von ihr Besitz ergriffen und sie merkte, dass sie am ganzen Leib zitterte. Sie sank mit dem Rücken an die Wand, glitt daran herab und vergrub den Kopf zwischen Händen und Knien. Mehrere Minuten saß sie so da, dann schluckte sie schwer und kämpfte sich wieder nach oben. Sie spürte den Zorn und die Wut, die das Tier an die Oberfläche lockten und kämpfte dagegen an. Sie musste zurück, herausfinden, was geschehen war. Sie griff mit der Hand nach der Klinke und drückte sie hinunter. Dann trat sie erneut ein und sah sich mit unterdrücktem Entsetzen um.

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 Betreff des Beitrags: Re: Eisen und Blut
BeitragVerfasst: Do 18. Aug 2016, 20:51 
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Der Geruch von Eisen, welcher mit so großen Mengen an Blut einher kam wurde, mit der Zeit nicht unbedingt besser, dafür aber erträglicher. Ihre Nase gewöhnte sich langsam an den Duft im Raum ebenso wie ihr Tier, welches sich zuvor geregt hatte. Es war beinahe ironisch, dass Blut normalerweise ihr Lebenselixier war, in diesem Fall aber eine so gänzlich andere Wirkung auf die Tzimisce hatte. Eins fiel Alida sofort auf, nachdem sie den Blick ein zweites Mal über den Ort des Massakers hatte gleiten lassen. Offensichtlich hatte hier ein Kampf stattgefunden, bevor Andros an den Stuhl gefesselt wurde. Davon zeugten zerbrochene Fässer, umgestürzte Kerzen und Blutspritzer an der Wand, ebenso wie die Verletzungen an dem Handrücken des ehemaligen Vorarbeiters. Offensichtlich war er irgendwann in einen Faustkampf verwickelt gewesen, denn die Wunden sahen nicht aus als wären sie ihm mit Absicht zugefügt worden. Als Alida ihren Weg fortsetzte wäre sie beinahe über einen Kaminhaken gestolpert, dessen Spitze erschreckend genau mit den Brandwunden auf dem Körper des toten Vorarbeiters zu korrespondieren schienen. Eine weitere Tür stand offen und führte zu einem kleinen Büro in welchem Andros die wichtigsten Papiere und ein wenig Geld für tägliche Ausgaben aufbewahrte. Manchmal wenn es besonders viel Arbeit gab, schlief er auch gleich dort. Ein erster Blick offenbarte, dass das ganze Zimmer durchsucht wurde. Der kleine Tisch war umgestoßen, ebenso die Stühle. Die Strohkissen aufgeschlitzt und verschiedenste Pergamente sorglos auf dem Boden verteilt worden. Hier und da glänzten auch kleine Silbermünzen.
Alida schüttelte ungläubig den Kopf. Schließlich riss sie sich zusammen und ging auf den Leichnam zu. Sie verkrampfte die Finger in den Fäusten und biss sich auf die Lippen. Dennoch schritt sie weiter. Sie blieb vor ihm stehen und schloss der leblosen Gestalt langsam die Augen. Mühsam öffnete sie die Lippen um ein kurzes Vater Unser zu beten und griff dann zu ihrem ledernen Beutel. Sie wusste, dass dort der kleine gelbe Stein zu finden war, den sie einst von ihm erhalten hatte. Sie schluckte schwer und drehte sich um. Sie ließ noch einmal den Blick durch den Raum gleiten, versuchte sich einen Reim darauf zu machen wie man hatte eindringen können, wie viele es vielelicht gewesen sein mochten. Sie suchte nach einem Gegenstand, den die Mörder vielleicht zurück gelassen hatten.
Als Alida die Augen des toten Mannes schloss, sah sie es nicht sofort aber in der Hand von Andros glitzerte etwas. Sie konnte die Finger behutsam öffnen, denn die Totenstarre war soweit noch nicht einmal vorgedrungen. Er hielt einen Anhänger in der Hand, die Kette war gerissen und mit Blut besudelt. Offensichtlich hatte er sie im Gerangel von seinem Angreifer gerissen. Es stellte ein Auge oder etwas dergleichen dar, gegossen aus krudem Gold oder zumindest etwas, das nach Gold aussah.

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Darüber hinaus fand sie noch zwei weitere Anhaltspunkte. An einem der Fässer klebte eine ganze Menge Blut und offensichtlich hatte sich jemand ordentlich an dem gesplitterten Holz verletzt. Die Blutspur führte aber interessanterweise aus der Tür heraus und wurde dann beständig schwächer. Eine letzte Kleinigkeit fiel ihr dann doch noch auf und zwar wurde kein Geld gestohlen, welches von Andros verwaltet wurde. Alida konnte sich schnell einen Überblick über die Münzen auf dem Boden machen und den entsprechenden Wert einschätzen. Zugegeben es war nicht besonders viel, aber für einfache Räuber immer noch genug, dass es sich lohnen würde. Die Münzen lagen aber im Gegensatz zu dem, was man erwarten würde verstreut im kleinen Büro des ehemaligen Vorarbeiters. Wahrscheinlich waren sie aus der gesicherten Schatulle gefallen, als man diese aufgebrochen hatte. Wer auch immer hier gewesen ist, er hatte es ganz sicher nicht auf Silber abgesehen.
Der Abdruck an Gefühlen und Emotionen, der auf dem Amulett lag war sehr stark. Alida sah wie freudig zwei bleiche Hände es aus von einem augenlosen Mann entgegen nahmen hinter dem eine Statue mit hunderten von Tentakeln aufragte. Stolz, Zugehörigkeit und Verbundenheit waren mit dem Erhalt des Gegenstandes verbunden. Dann sah sie den Besitzer, ein einfaches Gesicht mit braunen Augen und braunen Haaren. Er war auf einem Schiff und griff nach der Kette um sich selbst Zuversicht und Gewissheit zu verschaffen. Er war bereit für etwas. Dann erstarb die Vision.
Tausend Flüche lagen auf Alidas Lippen, doch sie schwieg. Es würde nichts ändern sie auszusprechen. Sie erinnerte sich nicht daran etwas Ähnliches schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Aber ganz offensichtlich hatte es sich jemand in den Kopf gesetzt sich auf den weiten Weg zu ihnen nach Brügge aufzumachen um hier alles zu durchwühlen, nach etwas zu suchen und ihre Arbeiter zu foltern und abzustechen. Hasserfüllt ballte sie die Fäuste. Sie suchte erneut nach Gegenständen, die ihr irgendeinen Hinweis geben konnten. Nichtsdestrotz musste sie versuchen so wneig wie möglich durcheinander zu bringen. Sie würde den Blutrichter und Jean informieren damit diese ebenfalls ihre Untersuchungen beginnen konnten.
“Verdammt!” Der Blutrichter Claude schlug mit der Hand auf den kleinen Tisch vor sich, dass es regelrecht schepperte. Alida hatte ihn noch nie so ungehalten und emotional erlebt. Er hatte sie heute aufgesucht um ihr eine Überblick über seine aktuellen Ergebnisse der Untersuchung zu liefern. Eine Woche war seit der Ermordung von Andros vergangen und viel hatten sie seitdem alle nicht herausgefunden. Keiner, nicht einmal Emilian konnte ihr mit ihrem Problem helfen und selbst das wenige was man über Exorzismus und Dämonen aus Büchern, Sagen und Legenden herausfinden konnte wollte immer nicht so recht zu dem passen, was sie selbst erlebt hatte. In der letzten Woche war alles ruhig gewesen, der Schemen war nicht mehr aufgetaucht, ebenso wenig gab es andere Morde, aber das hieß ja noch nicht viel. Claude hatte dunkle Ringe unter den Augen und schien die letzten Nächte schlecht geschlafen zu haben. Der Tod von Andros hatte den Blutrichter offensichtlich tief getroffen und auch wenn Andros keine direkte Familie mehr in Brügge besaß, hatte Claude doch alles für ein ordentliches Begräbnis arrangiert. Irgendwann platzte es aus ihm heraus. “Ich glaube wir haben es mit einem Kult zu tun, Alida, und ich habe bei Gott keine Ahnung, was ich dagegen tun kann. Ich kann nichts beweisen und im Moment halten sie sich ja zurück. Es macht mich trotzdem wahnsinnig, denn sie haben Andros aus einem bestimmten Grund ermordet, da bin ich mir inzwischen sicher.”
Alida schlug müde die Augen nieder. Sie war erschöpft, einfach nur erschöpft. Sie lehnte sich einen Augenblick in ihrem Stuhl zurück, schloss die Lider und wünschte sich einfach nur fort… irgendwohin: eine andere Zeit, ein anderer Ort, an dem es friedlich war, ein Ort… Sie riss sich zusammen. Eine solche Zeit, einen solchen Ort gab es nicht. Sie konzentrierte sich erneut auf ihr Gegenüber. „Wie seid Ihr zu diesem Schluss gekommen?“
Claude zog ein Pergament aus der Innenseite seiner Tasche. Darauf war eine ziemlich reale Kohlezeichnung von dem Auge, das Alida bei Andros gefunden hatte, abgebildet. “Ich habe mir die letzten Nächte damit um die Ohren geschlagen mehr hierrüber herauszufinden.” Der Blutrichter legte einen Daumen und einen Zeigefinger über die Lider, die er für einen Moment schloss. Auch er schien sehr müde zu sein. “Ich glaube, dass Andros uns noch ein Zeichen geben wollte. Es war kein Zufall, dass er das Amulett vom Hals seines Angreifers gerissen hatte. Andors handelt, oder zumindest hat er das.” Er atmete tief ein. “Nun und ich habe abgesehen davon auch ein paar Fortschritte gemacht. Offensichtlich hat man wirklich Leute gesehen, die ein Amulett wie dieses tragen. Sie scheinen Leute rekrutieren zu wollen, verteilen Geschenke und reden von besseren Zeiten. Aber leider entwischen mir diese Bastarde immer wieder. Sie sind zu gut. Deswegen glaube ich auch, dass der Mord an Andros nur der letzte Ausweg war weil sie etwas vertuschen wollten. Er muss ihnen auf die Schliche gekommen sein, oder zumindest Verdacht geschöpft haben. Sie wollen nicht auffallen und trotzdem ermorden sie jemanden, das ist kein guter Weg um seine Tarnung zu bewahren. Darüber hinaus verlassen sie den Ort des Geschehens ohne vorher aufzuräumen...Das ist zu schlampig und lässt nur eine Erklärung zu. Ich vermute also, dass noch jemand in diesem Lagerhaus war und sie gestört hat und nachdem sie ihr Ziel erreicht hatten sind sie so schnell wie möglich geflohen um nicht doch noch der Wache in die Arme zu laufen.”
Alida beugte sich nach vorne. „Dann bleibt wohl die Frage offen, was sie bei uns im Handelshaus gesucht haben? Wir handeln nicht mit Reliquien oder religiösen oder okkulten Dingen.“
Claude schüttelte nur mit dem Kopf. "Da habt ihr Recht. Nun, ich denke, es war nichts als Zufall, dass Andros im Lagerahaus und nicht zu Hause war. Es wurde doch nichts gestohlen oder?"
Alida schüttelte den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste. Ich habe nichts entdeckt und gemeldet wurde auch nichts.“
"Das habe ich mir schon gedacht. Sie wollten ihre Spuren verwischen, aber irgendwer ist ihnen in die Quere gekommen und so haben sie noch mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Diese verdammten Schweine, ich werde sie kriegen. Du hast mir doch von dem Blut erzählt oder, Alida? Ich dachte erst, einer der Angreifer hätte sich verletzt, aber inzwischen denke ich, dass es der Fremde war." Claude lehnte sich zurück. "Der Angreifer hätte sich nicht im Hospital behandeln lassen, aber ein unbeteiligter Dritter schon, insbesondere nach so einer Verletzung. Das ist die nächste Spur!" Claude sprang beinahe auf. Die Müdigkeit war wie aus seinem Gesicht vertrieben, aber Alida sah, das schon fast nicht mehr und sie spürte die kalte Berührung des Schemens bevor sie ihn sah. Er hatte dieses Mal eine vertraute Gestalt angenommen und zwar die von Andros. Sie stand direkte neben Alida und sprach in leisem Ton. "Sie werden ihn auch töten, Alida van de Burse. Er hat schon zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Du musst ihn aufhalten, wenn du ihn retten willst." Die Gestalt, die aussah wie Andros schaute sie ernst an. Er hatte die gleichen Brandwunden und Verletzungen mit denen der echte Vorarbeiter von Alida gestorben war. Claude schien den neuen Besucher im Raum nicht einmal zu bemerken. Wie zuvor schon Marlene.
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 Betreff des Beitrags: Re: Eisen und Blut
BeitragVerfasst: Fr 19. Aug 2016, 17:10 
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Wut stieg in Alida auf als sie den Dämon in der Gestalt Andros vor sich sah. Wie konnte er es wagen? Sie verkrampfte sich und versuchte mit Mühe sich wieder zu sammeln und den Schemen zu ignorieren. Wie weit würde sie kommen, wenn sie jetzt bereits auf einen Dämon hörte, dessen hochoffizielles Ziel die Auslöschung der Kainiten Brügges und die Übernahme der Herrschaft über die Stadt war?
Sie konzentrierte sich auf Claude. „Verzeiht, doch mag ich euch nicht ganz zu folgen? Was vermutet ihr, warum sich die Verbrecher in unserem Lagerhaus aufgehalten haben? Und wieso geht ihr davon aus, dass sich ein Fremder verletzt und im Hospital hat behandeln lassen? Habt ihr etwas gehört?

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 Betreff des Beitrags: Re: Eisen und Blut
BeitragVerfasst: Sa 20. Aug 2016, 22:10 
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Claude war in Gedanken versunken, dann suchte er den Blick von Alida. “Ich denke, dass der Kult bei der Folter von Andros gestört wurde. Ein unbeteiligter Dritter, der nichts mit diesem Pack zu tun hat. Wenn man die Dinge in Betracht zieht, die ich bis jetzt herausgefunden habe, dann gehen diese Bastarde nämlich äußerst geschickt und heimlich vor.” Der Blutrichter schloss für einen Moment die Augen und schien sich an etwas erinnern zu wollen. “Die Leiche von Andros zu hinterlassen war stümperhaft und ganz sicher nicht ihr ursprünglicher Plan. Irgendwer muss in dem Lager gewesen sein, sie überrascht haben und ist dann geflohen. Dabei hat sich der Fremde verletzt - immerhin hat das Blut ja nach draußen geführt. Denn hätte sich einer der Kultisten verletzt, hätten sie keinen Grund gehabt die Leiche nicht verschwinden lassen. Ein verschwundener Mann wirft weniger Fragen auf als ein Toter. Sie mussten Angst gehabt haben, dass die Wachen auftauchen und haben deswegen die Beine in die Hand genommen.” Claude erhob sich und ging in Richtung Tür. “Unser Unbekannter hat eine ganze Menge Blut verloren. Aller Wahrscheinlichkeit hat er sich danach im Hospital behandeln lassen, denn warum sollte er Wundbrand riskieren? Zugegeben, die Geschichte die er den Heilern erzählt mag gelogen sein, aber über die Aufzeichnungen könnten wir sicherlich rekonstruieren wer sich in besagter Nacht verletzt hat.”
Alida sog langsam die Luft ein und fasste noch einmal zusammen. „Aus dem, was ihr bisher herausfinden konntet, schließt ihr, dass die Kultisten in unser Lagerhaus einbrachen, dort nach etwas suchten und von Andros unterbrochen wurden. Sie vollführten ein okkultes Ritual an ihm, das seine Folter und seinen Tod beinhaltete und wurden, nachdem sie mit Andros fertig waren, von einem Unbekannten, der ebenfalls ins Lagerhaus einbrach oder dorthin ging, weil er zu unseren Leuten gehört, gestört. Dann griffen sie diesen an, verletzen ihn, verfolgten ihn nach draußen, doch es gelang ihm zu fliehen. Die Kultisten entschlossen sich dann dazu Andros liegen zu lassen, weil sie befürchteten, der Verletzte könne die Wachen rufen…“ Sie sah ihn skeptisch an. „Ist das Eure Vermutung?“
Claude nickte langsam. “Fast. Ich vermute das euer Lagerhaus nicht das Ziel war, sondern Andros selbst. Sie haben ihn bewusst aufgesucht und ermordet nachdem sie bekommen haben was sie wollten.” Er schwieg für einen Moment, ganz so, als glaubte er selber nicht so ganz was er sagte. “Ich glaube nicht an okkulte Rituale. Sie haben ihn gefoltert, weil sie etwas von ihm wissen wollten. Dann als sie ihre Information erhalten hatten, haben sie ihn verbluten lassen. Als er tot war und sie seine Leiche entsorgen wollten, wurden sie schließlich von unserem Unbekannten unterbrochen. Das ist es, was ich denke. Andros war kein Unfall. Er war das Opfer und genau das macht mich so wütend.” Alida konnte ein Feuer in Claudes Augen aufblitzen sehen. Er schien den Tod seines Schützlings persönlich zu nehmen.
Alida schüttelte langsam den Kopf. „Auch ich kenne mich nur marginal mit okkulten Ritualen aus. Im Laufe der Jahre kommt man aber leider nicht drum herum…“ Sie erhob sich. „Ich würde vorschlagen, ich begebe mich ins Hospital und werde mich nach einem unbekannten Verletzten erkundigen. Ein Verwandter von mir kümmert sich dort um die Versorgung der Kranken und wird sich sicher freuen mich zu sehen und mir bereitwillig Auskunft geben. Vielleicht wollt ihr derweil eure Männer über die bisherigen Erkenntnisse informieren.“ Alida war sich recht sicher, dass Balduin sich wahrscheinlich nicht über ihr plötzliches Erscheinen freuen würde, aber die Warnung des Dämons war ihr nur zu gut im Gedächtnis geblieben. Auch wenn sie sich unterbewusst weigerte, dem Drängen eines solchen Wesens nachzugeben, war sie sich sicher, dass sie in diesem Fall ohne die Hilfe des Blutrichters auskommen würde. Und sie wollte ihn keiner Gefahr aussetzen.
Claude hatte die Hand schon nach der Türklinke ausgestreckt und zögerte einen Moment. “Ihm schienen Alidas Worte nicht zu gefallen aber er seufzte. “Ihr habt Recht Alida.” Er senkte den Kopf. “Ich muss meinen Männern Bericht erstatten und alles schriftlich festhalten.” Die Tzimisce sah aus den Augenwinkeln wie er die Hände zu Fäusten ballte. “Das Gesetz ist das Gesetz, egal wie sehr es uns manchmal gegen den Strich gehen mag.” Schließlich verabschiedete er sich von Alida. “Frau van de Burse. Bitte informiert mich, wenn ihr etwas herausfinden solltet.” Dann war er durch die Tür verschwunden. Der Schemen in der Gestalt von Andros stand noch immer an Alidas Schreibtisch und beobachte das Geschehen stumm. Irgendwann suchte er Alidas Blick und nickte wie in Zustimmung.
Alida verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Kante des Schreibtisches. „Bist du nun zufrieden? Nein, noch nicht… Du hast die Stadt und uns Kainiten ja noch nicht unter deine Fuchtel gebracht, nicht wahr?“ Sie musterte den geschundenen Körper von Andros und Wut stieg erneut in ihr auf. „Ich erwarte, dass ein Wesen wie ihr es seid, mich weder versteht, noch in irgendeiner Weise etwas auf meine Worte gibt, aber eure Anmaßung ist schlicht und ergreifend abscheulich.“
Andros, oder zumindest das, was die Gestalt von ihrem ehemaligen Vorarbeiter angenommen hatte, schaute sie mit stumpfen, ausdruckslosen Augen an. Den Augen eines Toten. “Ich empfinde keine Zufriedenheit. Oder Ärger, Alida van de Burse. Auch will ich diese Stadt nicht. Diese Stadt sind nur Steine, Lehm und Holz. Leblose Materie. Ich erfülle nur die Rolle, die mir zugedacht wurde, nicht mehr und nicht weniger. Aber du hast gut daran getan deinen Freund wegzuschicken. Ihn geht all das nichts an.” Als das Wort auf Claude von Paris zu sprechen kam, erinnerte sich Alida an das Verhalten des Blutrichters. Sie konnte es nur hoffen, aber sie war sich nicht sicher, ob er das ganze wirklich auf sich beruhen lassen würde. Wenigstens im Moment hatte er zu tun, so viel wusste die Tzimisce wenigstens.
Sie schenkte ihm den eisigsten Blick zu dem sie fähig war. „Viel Spaß beim Erfüllen deiner Rolle… oh, ich vergaß… das kennst du ja nicht.“

Sie machte auf dem Absatz kehrt und ließ die Gestalt der Leiche hinter sich. Wütend ballte sie die Fäuste und ging in Richtung der Stallungen. Direkt nach der Haustür blieb sie hastig stehen und machte kehrte zurück. Sie suchte nach Georg oder Frederik. Zur Not würde ihr auch Christian helfen können.
Der Schemen schien ihr nicht folgen zu wollen und verblieb in dem Schreibzimmer. Alida war sich nicht sicher ob er da sein würde, wenn sie noch einmal hineingehen würde oder nicht, aber das spielte im Moment auch keine Rolle. Ehe sie sich entscheiden konnte, wen genau sie aufsuchen würde, lief der blonden Händlerin Frederik über den Weg. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, zumindest soweit das bei einem Kainit möglich war. Er schaute sie fragend an. "Alida? Ist alles in Ordnung?"

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Erleichtert schaute sie ihn an. „Ein Segen, dass ich dich genau jetzt treffe, Frederik.“ Tief sog sie die Luft ein und griff nach Frederiks Arm um sich wieder einmal zu vergewissern, dass wirklich der Nachfahre ihres Bruders vor ihr stand. Oh, wie sie diese Paranoia hasste. „Ich weiß, du hast viel zu tun, aber kannst du mir einen Gefallen tun? Es ist wichtig.“ So rasch es ging schilderte sie ihm das Erlebnis mit Claude und dem Dämon in Andros Gestalt. „Dieser Schemen hat mich gewarnt, dass auch Claude zu Tode kommen wird, wenn er sich zu sehr in diese Belange einmischen wird.“ Sie schluckte. „Ich habe ihn gebeten, seine Leute zu instruieren, aber ich befürchte, dass er selbstständig eigene Schritte unternehmen wird, so wie es seinem Posten zusteht. Kannst du zu Jean oder Lucien eilen und sie instruieren? Vielleicht gelingt es ihnen den Blutrichter in entsprechendem Maße abzulenken oder zumindest ein Auge auf ihn zu haben?“
Frederik hörte Alida aufmerksam zu, und wenn er wirklich entsetzt ob der Erzählung seiner Verwandten war, dann verbarg er diese Gefühlsregung gut. Als die Tzimisce geendet hatte, nickte Frederik ihr entschlossen zu. “Du kannst dich auf mich verlassen, Alida. Mach dir keine Sorgen.” Der Toreador schien mit den Gedanken schon an einem ganz anderen Ort zu sein, aber Alida sah wie er auf der Lippe kaute, ein Zeichen von so vielen Mitgliedern ihrer Familie, dass sie etwas beschäftigte. Schließlich sprach er, ja es platzte beinahe aus ihm heraus. “Bitte pass auf dich auf, Alida. Kein noch so guter Grund würde es je rechtfertigen dich zu verlieren. Du wirst hier nämlich gebraucht.” Er umarmte sie fest. Ihr Verwandter lächelte ihr schließlich noch einmal aufmunternd zu und verschwand dann in Richtung Stadt. Ohne Zweifel um ihrer Bitte nachzukommen.
„Pass du auf dich auf. Ich bin nicht die einzige, die hier ab und an gebraucht werden mag“, antwortete sie. Mit gespielter Lässigkeit, die von Frederik, das war ihr klar, sofort erkannt wurde, fügte sie noch hinzu. „Immerhin schau ich nur mal kurz im Hospital bei Balduin vorbei und mach einen kleinen Krankenbesuch. Ich versprech‘ dir, heute Nacht steck ich mich ausnahmsweise mal nicht mit Tuberkulose oder Masern an.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Und wenn der Verletzte, falls es ihn tatsächlich gibt, wirklich gegen eine Horde wild gewordener Sektenanhänger ankommt, dann ist es sicherlich nicht schlecht in seiner Nähe zu sein.“ Dankbar sah sie ihn an. Dann wandte sie sich ab.

Nach kurzen Zeit hatte Alida das Hospital auch schon erreicht und bereits beim Näherkommen hörte sie, dass es dort auch zu dieser Stunde noch sehr geschäftig zuging. Von einfachen Verkühlungen bis zu Kneipenschlägereien oder ernsthafteren Erkrankungen. Irgendjemand konnte immer einen kompetenten Arzt gebrauchen. Der ursprüngliche Bau war ein viereckiger Sandsteinbau in einem besseren Viertel der Stadt gewesen. In der Mitte des Gebäudes gab es einen Hof, in welchem Kräuter gezogen wurden und ein Brunnen sauberes Wasser aus großer Tiefe förderte. Inzwischen beschränkte sich die Heilstätte aber nicht mehr nur auf seine ursprüngliche Ausdehnung. Über die Jahrzehnte hatte man, ermöglicht durch reiche Spenden dankbarer Bürger, Adeliger und Reisender denen man hier geholfen hatte, weitere Gebäude gekauft. Inzwischen war der ganze Straßenzug mehr oder weniger Teil des Hospitals und die unterschiedlichen Flügel enthielten Unterrichtsräume, Lager, Werkstätten um Medikamente herzustellen sowie eine kleine Bibliothek.

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Die Schriften zur Heilkunst die darin gesammelt wurden, erfreuten sich inzwischen über die Stadt- und Grafschaftsgrenzen hinaus zunehmender Bekanntheit, und nicht selten kamen Studierende sogar aus Paris oder London um in bestimmte Werke Einsicht zu erhalten. Der Kopf all dessen war dieser Tage Balduin van de Burse, der die Position übernommen hatte, nachdem sich Leif aus den Geschäften des Hospitals zurückgezogen hatte. Alida wusste, dass ihr Verwandter inzwischen mehr mit der Organisation des Monstrums zu tun hatte, als eigentlich irgendwem mit seinen Heilkünsten beizustehen. Beim Eintritt in das Gebäude sah Alida schon, dass es drunter und drüber ging. Überall liefen junge Heiler und Helfer in ihren braunen Kutten umher, trugen kleine Flaschen mit verschieden farbigen Tränken, Bandagen oder kuriose Instrumente. Der Eingangsbereich war verglichen mit der Gesamtfläche des Hospitals streng genommen winzig. Trotzdem gab es einen kleinen Schreibtisch an welchem ein junger Heiler von vielleicht 14 Sommern saß und eine Art Empfangskomitee bildete. Ohne Zweifel um zumindest einen Funken Ordnung in das Chaos zu bringen. Er schaute die Tzimisce mit aufgeweckten Augen an. “Wie kann ich euch helfen?”
Alida blickte sich überrascht an. ZU so später Stunde mitten in der Nacht noch so viele Männer und Frauen bei der Arbeit zu sehen verwunderte sie. Des nachts sollten eigentlich Ruhe und Erholung Einkehr halten. Aber sie war zu selten im Brügger Hospital unterwegs um sich diesbezüglich auszukennen. Sie sah den Jungen fragend an. „Ist etwas in der Stadt geschehen? Oder ist hier des nachts immer so viel los?“ Sie trat einen Schritt näher.
Der Junge lachte und schien generell guter Laune. Er erhob sich und steckte die Hände in die braune, einfache Kutte, die wohl eine Art von Ausbildungsuniform war. "Werte Dame, sorgt euch nicht. Alles ist wie immer." Er verbeugte sich leicht. "Einfache Leute reisen viele Meilen um hier Heilung zu finden und sie erreichen ihr Ziel zu beinahe jeder Stunde. Ebenso wenig schlafen die Tavernen im Hafen oder in der Stadt. Das Hospital ist rund um die Uhr in Betrieb auch wenn wir im Moment mit einer Erkältungskrankheit zu kämpfen haben, die uns zusätzlich in Schach hält." Er lächelte aufmunternd. "Kann ich euch behilflich sein werte Dame? Seid ihr hier um einen Kranken zu besuchen oder wünscht ihr selbst Heilung?"
„Danke für eure Bemühungen. Das ist sehr freundlich. Sagt, ist Balduin van de Burse zu sprechen?“ Sie beobachtete das emsige Treiben. (Von irgendwoher in ihrem Kopf war eine leise Stimme zu vernehmen. „Die Armen. Ich würd kündigen. Aber damals war die Jugend noch motiviert und eifrig dabei.“) Alida wandte den Kopf. Nur Einbildung.
Der junge Mann verbeugte sich noch einmal leicht und klang bei seinen nächsten Worten beinahe entschuldigend. "Es tut mir sehr leid, aber Balduin van de Burse hat sich bereits zur Ruhe begeben. Ich kann euch aber zu seiner Nachtvertretung, Tiberius, bringen, wenn es um etwas wichtiges geht. Ansonsten mögt ihr auch eine Nachricht hinterlassen, ich bin mir sicher ihr erhaltet in den frühen Morgenstunden eine Antwort."
Alida machte eine wegwerfende Geste. „Ich denke nicht, dass das notwendig sein wird. Es geht um eine Kleinigkeit in der Ihr mir mit Sicherheit auch behilflich sein könnt.“ Sie sah sich um um eine grobe Orientierung über das Gebäude zu erlangen. Hier also hielt sich Balduin Tag für Tag auf. Sie kaute auf ihrer Unterlippe. Auch wenn es wahrscheinlich besser war, war sie doch ein wenig enttäuscht den Heiler nicht anzutreffen. Sie hatten sich über Jahrzehnte gegenseitig gemieden und nie Zeit zur Aussprache gehabt. Nun ja, diese Nacht war dazu in keinster Weise geeignet. Sie konzentrierte sich wieder auf den Jungen, dem man die Aufgabe des Torwächters zugedacht hatte. „Vor einigen Tagen wurde ein Mann hier vorstellig, der sich eine blutige Verletzung zugezogen hat. Ich würde ihn gerne besuchen, denn der Unfall ist auf unserem Grund und Boden geschehen.“
Der aufgeweckte Junge Schüler nickte nur. “Ich verstehe.” Er griff nach einer großen Pergamentrolle und studierte winzig kleine Namen, Zahlen und Vermerkte. Die Zungenspitze berührte fast seine Nase, offenbar hatte er das Lesen erst vor kurzem erlernt. Dann schien er entdeckt zu haben wonach er suchte. “Folgt mir bitte.” Der junge Mann sprang ein wenig auf und ab als er Alida zu ihrem Ziel führte. Sie bemerkte in diesem Moment etwas. Der Junge gehörte bereits zur neuen Generation der Brügger Bevölkerung, die sich nicht einmal mehr an den Krieg um die Stadt erinnerte. Über Zehn Jahre lag der grausame Angriff inzwischen zurück und die Tzimisce hatte nicht zum ersten mal bemerkt, dass die Erinnerungen daran begannen zu verblassen. Die Zeit verging wahrlich wie im Flug. Der Ort zu dem die Händlerin geführt wurde, war ein wenig abseits von den anderen Zimmern und eine massive Tür sorgte für eine gewisse Privatsphäre die man so nicht überall im Hospital genoss. Wahrscheinlich war der Raum reichen Kaufleuten oder Adeligen vorbehalten, die eine etwas weniger öffentliche Zurschaustellung ihrer Leiden durchaus mit ein paar zusätzlich Münzen zu belohnen wussten. Der junge Mann öffnete die Tür und ließ Alida eintreten, bevor er wieder in den Eingangsbereich verschwand. Der Raum roch streng. Blut und der Geruch von Schweiß vermischten sich mit scharfen Kräutern und blumigen Salben. Alida sah zwei Männer in dem Zimmer. Der Kranke war wohl mitte oder ende zwanzig und lag auf einem einfachem aber bequemen Bett, während ein Medikus die tiefe Wunde an seinem Oberschenkel begutachtete.
Alida hatte sofort das Gefühl den Heiler zu kennen und ihre Instinkte täuschten sie auch nicht und plötzlich erkannte sie die ganze Wahrheit. Es war kein Heiler, es war nicht einmal ein Mann. Unter dem weiten Hut der die Haare zurückhielt sowie dem schweren Lederwams verbarg sich die Tremere Theresa.

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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