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Re: Deliver us from Evil

Di 30. Mai 2017, 07:55

Der Offizier, der soeben noch die Pferde der Brügger an die erst kürzlich aufgestellte Tränke, bestehend aus einem bauchigen Holzfass mit der klingenden Aufschrift ‚Gurken‘ führen wollte, machte eine zutiefst dankbare und erleichterte Verbeugung. „Vielen Dank, edle Herrschaften, Gott wird euch eure gute Tat gewiss vergelten. Und so es dem Allmächtigen gefällt, werde ich meine Liebste auch bald wieder in die Arme schließen können.“ Wie gut oder schlecht die Lage in Gerhardsbergen dabei für das geschulte Einschätzungsvermögen sowohl Alidas als insbesondere auch Leif dann tatsächlich ausfallen mochte, bemerkte der junge Reiteroffizier dabei nicht. Er gab sich mit dem zufrieden, was die Sterblichen allgemein Hoffnung nannten; selbst dann noch wenn die aufbauenden Worte und wohlgemeinten Versprechungen in den Ohren der beiden Brügger selbst mittlerweile etwas hohl und leer erschienen.

Leif hatte kein Problem damit die Nachricht in der Stadt weiterzuleiten. Es war eine Qual nicht zu wissen wie es jenen ging um die man sich wirklich sorgte, und der Salubri vermutete stark, dass Alida bei dem Schicksal des Mannes an Marlene und Frederik erinnert wurde. Er nickte nur kurz und zustimmend, bevor er sich der Wache zuwandte. Er wusste worauf die Tzimisce anspielte. „Bevor wir die Stadt betreten habe ich noch eine Frage. Uns wurde von einer Heilkundigen, einer Kräuterfrau berichtet die es hier geben soll.“ Der Salubri wartete, bis ihr Begleiter sich völlig auf das neue Thema eingestellt hatte. „Ich bin neugierig, ob diese Frau etwas mehr über die Krankheit weiß, immerhin soll sie schon viele Jahre hier leben und hat solch eine Plage vielleicht schon einmal erlebt oder von ihr gehört. Daher könnte ihr Wissen von entscheidender Bedeutung sein um die Belagerung um die Stadt zu beenden und die Leute in ihr vielleicht doch noch zu retten.“ Leif klang absichtlich etwas positiver als er wirklich war, in der Hoffnung, dass der Wachmann kooperativ sein würde. Immerhin wusste man nie, ob der Ruf einer alten Kräuterfrau nicht doch eher der eine Hexe war, bei der man lieber über die Schulter spuckte und sich dreimal bekreuzigte. „Also könnt ihr mir helfen? Lebt diese Frau in der Stadt? Oder finden wir sie hier irgendwo in der Umgebung?“

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Das darauffolgende, überraschte Blinzeln des Offiziers, der seine Aufmerksamkeit dabei wieder zurück auf den Heiler lenkte, spiegelte neugieriges Interesse als auch offene Verwunderung wider. Ein leichtes Nicken, begleitet von einem langgezogenen ‚Hm‘, war die erste Reaktion des Mannes. „Ah ja, ich glaube, ich weiß, wen ihr meint. Da ich ja immer wieder in Gerhardsbergen vorbeikomme, habe ich gewollt oder ungewollt auch ein wenig über die Stadt erfahren. Tatsächlich soll es so eine Frau hier geben, man nennt sie soweit ich weiß, Helena. Siegrid sprach, glaube ich, einmal über sie und erwähnte, dass sie in einer kleinen Hütte etwas weiter östlich von hier wohnt. Ich selbst habe sie nie gesehen.“ Der Offizier holte gerade noch etwas Luft um erneut anzusetzen, da wurde er durch die raue Stimme eines Wachmanns am Tor, unhöflich unterbrochen.

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„Die gibt’s schon, Herr Leutnant“, meinte der Wächter, sich dabei etwas beschämt räuspernd, weil er sich erdreistet hatte das Gespräch des Vorgesetzten zu belauschen. „Oder besser gesagt: Gab es. Soweit ich weiß, haben die Bürger nach den ersten, schweren Krankheitsfällen angefangen einen Schuldigen zu suchen und dabei auch diese Kräuterfrau aus ihrer Hütte geschleppt und inhaftiert. Jetzt sitzt sie im Kerker und wartet auf den Prozess. Man kann sich vorstellen, dass auch gerade die Kirche darauf besteht, alle mutmaßlichen Diener des Satans, wieder zu diesem zurückzuschicken. Das Ganze hat bereits stattgefunden, bevor unsere Truppen hier angerückt sind, und ich glaube mich zu erinnern, dass es lange gedauert hat bis der Statthalter von Gerhardsbergen, dem Druck des örtlichen Pfarrers und einiger vehementer Gläubiger nachgegeben hat.“ Wie um sich erneut zu entschuldigen, vollführte der Wächter abermals eine überaus großzügige Verbeugung. „Bitte vielmals um Entschuldigung, Herr Leutnant, und die werten Herrschaften, aber die Dame wird wohl bald das erste Opfer einer öffentlichen Hexenverbrennung in der Stadt.“

Der Offizier sah zunächst etwas ungehalten zu der Torwache, entschied dann aber offensichtlich, dass diese Information schwerer wog als sämtliche Unhöflichkeiten. Mit einem Nicken deutete er dem Untergebenen an, dass so alles seine Richtigkeit hätte und er keinen Rapport zu befürchten hätte. Seufzend sah er zu den beiden Brüggern. „Ich denke, das wird nicht das letzte Opfer sein, dass sich angeblich mit dem Bocksfüßigen verbündet hat. Es wird wohl nur noch schlimmer werden.“

Alida hätte sich am liebsten mit der Hand über die Stirn gefahren und das Unglück verflucht, das ihnen immer schon zwei Schritt zuvor zu sein schien, doch sie riss sich notgedrungen zusammen. „Habt Dank für eure Auskünfte.“ Es wären ihr noch dutzende Bemerkungen eingefallen, aber sie biss sich auf die Lippen. Dann sah sie zu Leif. „Lass uns gehen. Desto weniger Zeit wir verlieren, desto besser“

Zu viel geschah hier gleichzeitig für Leif um noch an Zufälle zu glauben und auch seine Miene verhärtete sich während er sprach. "Auch ich danke euch. Trotzdem sollten wir jetzt gehen. Jede Stunde ist kostbar." Leif schaute zu der Tzimisce neben sich. "Ich bin soweit." Dann ging er mit bestimmten Schritt voran.
Der Offizier salutierte respektvoll vor Ihnen, als die beiden sich verabschiedeten und durch das bedrohlich wirkende Haupttor an den beiden Wächtern vorbeischritten. Für gewöhnlich lag darin ja nun nichts Besonderes, aber unter Berücksichtigung der aktuellen Lage in der Stadt, spürten die beiden Kainiten wie sie die Augen der Sterblichen beim Betreten von Gerhardsbergen förmlich vor Anspannung aufspießten. Jeder wusste: Wer einmal die Stadt betrat kam entweder geheilt oder gar nicht mehr wieder. Derzeit überwogen eindeutig die weniger vom Glück Gesegneten.



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Gerhardsbergen war dunkel und beinahe totenstill. Die Bevölkerung hatte sich wohl in die Behausungen zurückgezogen und harrte sorgenvoll der Schrecken, die da noch kommen mochten. Nur gelegentlich, hörte man im Vorbeigehen ein klägliches Kinderweinen oder ängstliches Wimmern aus den abgedunkelten Fenstern, manchmal bellte in der Ferne ein Hund oder jemand wisperte ein zitterndes Gebet. Die einst blühende Stadt der Tücher war ein vor sich hinsterbendes, karges Tal des Unheils geworden, das langsam verendete und dem Wahnsinn, Vorzug vor Vernunft gab. Die ersten Stadtwachen von Gerhardsbergen entdeckten die beiden Brügger auf ihrem Weg zum Schuldturm, der ihnen nach einiger Beratschlagung, als erster Anlaufpunkt geeignet schien. Immerhin konnte niemand sagen, wann die ‚Hexe‘ jetzt tatsächlich zur Hölle geschickt werden sollte. Möglich, das gerade in diesem Augenblick bereits das Reisig aufgeschichtet wurde. Die finsteren Blicke der Wachleute trafen beide Kainiten wie ein dunkles Vorzeichen: Klar und deutlich war das Misstrauen und die beginnende Paranoia in den mit tiefen Ringen umrandeten Augen zu erkennen. Natürlich hatten die Männer die wichtige Aufgabe jeden ‚Krankheitsverdächtigen‘ sofort ins Lazarett zu überführen, aber mittlerweile war das Urteilsvermögen wohl bereits ein wenig durch schreiende und sterbende Mitbürger getrübt worden. Man gab sich als neu eingetroffene Heilkundige zu erkennen und bekam etwas wortkarg den weiteren Weg gewiesen, den man ohnehin auf der Karte vermerkt hatte. Auf einem hölzernen Leiterwagen transportierten die Wachsoldaten sorgfältig gestapelte, barfüßige Leichen, die sie mit schweren Planen bedeckt hatten. Leif und Alida konnten fünf Personen zählen und ein paar Kinderfüße. Die Seuche hatte sich eine weitere Familie geholt. „Auf geht’s“, rief der Wachkommandant. „Solange die Öfen noch genug Brennmaterial haben.“ Wenigstens hatten die örtlichen Heiler dafür gesorgt, dass infizierte Verstorbene unverzüglich verbrannt wurden. Medizinisch gesehen die richtige Entscheidung – es machte nur das Gefühl dabei nicht besser.

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Sobald sie aus dem Sichtbereich der Sterblichen getreten waren blickte Alida zu Leif und schüttelte den Kopf als würde sie alles m sie herum nicht recht wahrhaben wollen. „Warum, Leif, erscheint mir das, was wir hier tun, so unglaublich…“ Sie seufzte und behielt für einige Schritte ihre Gedanken bei sich. „Sag mir, glaubst du, wir können hier wirklich was ausrichten?“

Leif überlegte lange bevor er etwas sagte und schaute Alida dann nachdenklich an, während er flüsterte. "Was hier passiert ist der pure Wahnsinn. Aber trotzdem sollten wir alles in Erfahrung bringen, was wir nur irgendwie können und wenn es uns auch nur hilft ein paar mehr Menschen in der Grafschaft zu warnen, bevor das Schicksal von Gerhardsbergen zum Schicksal von ganz Flandern wird."

Alida presste die Finger in die Handflächen. „In deine Worte könnte man interpretieren, dass du wenig Hoffnung für Gerhardsbergen siehst…“ An ihrem Tonfall war unschwer auszumachen, dass dies eine Feststellung und keine Frage war. „Ich sage es nur ungern, aber ich gebe dir, nach allem was ich sehen konnte recht, ohne deine Heilkünste in Frage zu stellen.“

"Diese Krankheit ist nicht natürlichen Ursprungs, Alida, da bin ich mir inzwischen sehr sicher." Leif schien in der Dunkelheit etwas zu suchen, was aber wohl nicht da war - oder sich auch nicht einfach so offenbaren zu wollen. "Aber unabhängig davon was es ist, fühle ich mich von dem, was hier passiert herausgefordert. Es ist einfach nicht richtig sich an den Ärmsten und Schwächsten auf solch schändliche Art und Weise zu vergehen und wenn wir uns nicht für die Kranken, Sterbenden und Unvorbereiteten einsetzen, dann tut es niemand."
Die Händlerin seufzte. „Ich verstehe, wenn du den Menschen helfen willst, aber es sind zu viele… Dazu sind wir nicht in der Lage. Zumindest bin ich es nicht auf diese Art und Weise. Ich kann einen Tross mit Nahrungsmitteln und Kleidung herfahren lassen, aber damit hat es sich dann bereits.“ Sie überlegte. „Solltest du recht haben und es wirklich eine nicht natürliche Ursache der Seuche geben, dann bleibt uns vielleicht zumindest die Möglichkeit in irgendeiner Weise eingreifen zu können. Wenn es einen Verursacher für dieses Leif gibt, dann lässt er sich vielleicht aufhalten…“

Leif schüttelte mit dem Kopf. „Du verstehst nicht, was ich eigentlich sagen will, Alida.“ Der Salubri schien die nachfolgenden Worte schon öfters gesagt zu haben, zumindest in seinem Kopf. „Die Sethskinder nähren uns und ermöglichen uns eine Existenz, egal wie verdammt man sie ansieht. Aber sie brauchen uns viel weniger als wir sie, und deshalb ist es unsere Pflicht uns um sie zu kümmern, so gut wir können. Ein Schäfer mag gelegentlich ein Schaf schlachten, aber insgesamt möchte er das es der Herde gutgeht, denn dann geht es ihm gut. Viele Kainiten scheinen diese einfache Wahrheit nicht zu verstehen, oder wollen lieber nicht wahrhaben wie wichtig Menschen eigentlich für uns sind. Es gibt genug Beispiele, insbesondere im Ost...“ Leif brach sofort ab und schaute, beinahe ein wenig verlegen zu Alida. Er hatte vergessen mit wem er sprach, entschied sich nach einer kurzen Pause aber weiterzusprechen. „...im Osten bei den Tzimisce, aber auch in anderen Domänen. Ich weiß, dass man nicht jeden Menschen retten kann, aber es geht auch nicht immer darum zu gewinnen. Manchmal muss man es einfach versuchen. Soviel Anstand und Mitgefühl sind wir den Sterblichen für unsere Taten und unser Verhalten schuldig. Das denke zumindest ich, egal wie schwer, unangenehm oder deprimierend diese Aufgabe manchmal sein mag.“ Alida nickte bei seinen Worten bedächtig. Ihre Vorstellung von Herde und Sterblichen war wohl in gewisser Hinsicht eine andere, dennoch verstand sie Leifs Ansicht und seine Beweggründe. Vor ihnen kam der Schuldturm in Sicht.

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Der Schuldturm, war in Gerhardsbergen mehr ein großes, weitläufiges Haus mit dicken und hohen Mauern war, an welchen lediglich ein etwas höherer Turm angrenzte, der wohl als Aussichts- und Wehrturm diente. Es brannten verhältnismäßig viele Fackeln in den Haltern und warfen lange Schatten auf die dunklen Pflastersteine. Mehrere Gardisten flankierten das Gebäude und bewachten eine schwere beschlagene Eingangstür, welche offensichtlich in die Wachzentrale und die Gefängniszellen führte. Der opulente und ebenfalls gut gesicherte Prachtbau unlängst der Wachstube war ganz eindeutig als Sitz des Statthalters zu identifizieren. Missmutig und kritisch beäugte ein unrasierter Wachmann die Neuankömmlinge. „Heda, ihr beide! Es herrscht Ausgangssperre, wie ihr wisst. Bleibt in euren Häusern und verhaltet euch ruhig, andernfalls werden wir andere Saiten aufziehen müssen. Ihr wollt doch nicht zu den Verbrechnern und Mördern gesteckt werden, hm?“

Alida suchte nach dem Dokument, das ihnen Balduin gereicht hatte und das sie als Heiler auswies. Sie reichte es an Leif weiter. Sie wusste, er würde mit dieser Erlaubnis wohl keine Minute brauchen um ihnen Zutritt zu verschaffen. Leif nahm das Schreiben und schaute die Wachmänner direkt an. „Wir sind Heiler, die hier in der Stadt ihr nötigstes zur Unterstützung beitragen wollen, sollen und vielleicht auch können.“ Er hielt das Schreiben hin. Er wusste nicht ob die Männer überhaupt in der Lage waren zu lesen, aber es sah wunderbar offiziell aus. „Ich muss die Männer und Frauen im Kerker sehen. Ich will wissen, ob sie bereits krank sind, und wenn ich sie mir angeschaut habe, mag uns das bei dem ganzen Wahnsinn hier weiterhelfen.“ Leif seufzte einmal tief und versuchte es noch etwas diplomatischer. „Wir sind alle müde und erschöpft wegen der Krankheit, und ich weiß ihr Wachmänner tut nur euren Arbeit, trotz der schwierigen Umstände. Ich will nur die meine tun, also lasst mich bitte durch.“

Der ungepflegte Wachmann, der wohl in diesen Nächten besseres zu tun gehabt hatte als seinen fransigen Bart zu stutzen, beäugte das tatsächlich sehr amtlich aussehende Dokument mit prüfendem Blick und kratzte sich am Hals. „Hmpf. Das scheint soweit wohl alles seine Ordnung zu haben, verzeiht.“ Dass es ihm nicht wirklich leidtat, war allein am Tonfall zu vernehmen, aber das konnte den Kainiten in diesem Fall wohl recht egal sein. Was zählte war, dass sie Einlass zu den Zellen erhielten und Gelegenheit bekämen die Hexe zu sprechen. „Jochen, geh den beiden mal aufschließen und gib ihnen alles, was sie für ihre äh… Untersuchungen so brauchen“, meinte er an einen Kameraden gewandt, der wiederum nur kurz die Schultern hob und hart an die Eingangstür klopfte. Nachdem ein Riegel kratzend von innen zur Seite geschoben wurde, bedeutete er Leif und Alida zu folgen. „Hier entlang, geschätzte Gelehrte, aber grämt euch nicht, wenn ihr bei denen hier versagen solltet. Die haben es ohnehin nicht besser verdient“, meinte er schief lächelnd.

Er führte sie vorbei in einen größeren Eingangsbereich mit breitem Schreibtisch, an dem wohl ansonsten Bürger zunächst empfangen wurden und danach ihr Begehren der Wache vortrugen. Links und rechts des Eingangs befanden sich scheinbar weitläufige Flure mit Speise, Schlaf- und Waffenräumen, die daran angrenzten. Der Wachmann sperrte jedoch eine weitere Tür hinter dem Schreibtisch auf und betrat eine gewundene, breite Wendeltreppe, die nach unten führte. Es roch modrig und feucht, der Schimmel an den teilweise rissigen Steinen zeigte, das hier nicht besonders großer Wert auf Sauberkeit gelegt wurde. Ganz eindeutig waren sie auf dem Weg zu den Gefängnissen. Am Ende der Treppe fanden sich die Brügger in einem wahren Labyrinth aus Gängen und kleineren und größeren Zellen wieder, an deren Wänden Fackeln rußig flackerten. Wachmänner drehten gelangweilt und gähnend ihre Runden und die derzeitigen Gefangenen waren eine überschaubare Anzahl von größtenteils männlichen Straftätern, die zwar offenbar ausreichend genährt, dafür umso dreckiger und zerlumpter wirkten. Als die beiden Kainiten vorbeigingen, sahen die meisten in Ketten gelegten und auf bräunlichem Stroh sitzenden und liegenden Männer nicht einmal zu ihnen hoch. „Hier sind die Diebe und Betrüger untergebracht“, verkündete der Wachmann ohne die Gefangenen eines Blickes zu würdigen.

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Mit einem Finger deutete er etwas den Gang entlang. „Dann haben wir noch ein paar Mörder und Vergewaltiger im nächsten Zellenblock und dann gibt’s noch die Hexe. Aber die braucht ohnehin niemand mehr zu untersuchen – die bekommt ihre gerechte Strafe demnächst durch das reinigende Feuer, meine geschätzten Gelehrten. Was benötigt ihr für eure Untersuchungen? Ich nehme an, warmes Wasser für den Anfang?“

Alida nickte. Vielleicht würde es einige Zeit dauern bis der Mann mit dem warmen Wasser zurück käme. Eine verheißungsvolle Aussicht. „Vielleicht sollte man mit der Hexe anfangen. Ein Wesen, dass so nah mit dem Bösen verkehrt hat, muss am ehesten in dessen Einfluss geraten sein und wird uns vielleicht die meisten Erkenntnisse liefern?“ Sie äußerte ihre Gedanken als spräche sie nur mit Leif direkt, denn sie hatte keinerlei Interesse daran von einem möglicherweise selbst schon in Glaubensfragen verzerrten Geist eines Gerhardsbergers für ungebührliches Verhalten als Weib angeklagt zu werden.

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„Es tut mir leid, aber mein Auftrag lautet jeder Gefangene und ich werde meine Aufgabe zur Zufriedenheit meines Lehnsherren erfülllen.“ Leif hatte genügend medizinische Geräte und Flüssigkeiten bei sich um als der Heiler erkannt zu werden, der er in Wirklichkeit auch war. Ohne lange zu suchen fand er ein Fläschchen in seinem Tornister, entkorkte es und gab sich ein paar Spritzer auf die Hände. Der beengte Raum begann sofort nach scharfem Essig zu riechen, der mit ein paar aromatischen Kräutern versetzt wurden schien. Er schüttete auch Alida ein paar Tropfen in die Hände, verstaute die Flüssigkeit dann wieder und zerrieb das Mittel zwischen den Fingern. „Wir fangen mit der Hexe an, denn dann kann meine Gehilfin wieder gehen. Sie ist nur hier weil ich das Weibsbild nicht mit meinen eigenen Händen anfassen kann, ohne ein Risiko einzugehen.“ Ob es sich dabei um Flüche, eine Ansteckung oder der einfache Ekel vor einem weiblichen Körper handeln mochte ließ Leif bewusst aus. Der Wachmann konnte sich seine eigene Geschichte zusammenreimen. Noch bevor dieser antworten konnte suchte er den Blick des Mannes. „Also wo geht es zu dem Hexenweib.“

Di 30. Mai 2017, 07:55

Re: Deliver us from Evil

Di 30. Mai 2017, 09:42

Der Wachmann verzog bei dem Geruch, den die mit Kräutern vermischte Essigessenz verströmte angewidert das Gesicht. Nicht das er nicht schon einmal medizinische Hilfe benötigt hätte, und sich über die seltsamen Apparaturen und Methoden der fachkundigen Heiler stillschweigend gewundert hatte, aber offenbar war ihm der modrige Gestank von Unrat und Schimmel, vermischt mit dem Stöhnen und Wimmern der Gefangenen bei weitem lieber. Die sterbliche Nase, war wie vieles andere auch eben ein Gewohnheitstier. „Hier entlang, ich führe euch zum Loch“, entgegnete der Wächter kurzum und schritt voran. Unterwegs plapperte er munter weiter vor sich hin; wohl um die aufkeimende Besorgnis, sich der teuflischen Hexe nähern zu müssen, so gut als möglich niederzukämpfen. Man passierte weitere Gefängniszellen und kam an einer solide gemauerten Wand an, die keine gewöhnlichen Zellenverschläge aufwies, dafür aber einen in etwa hüfthohen Durchgang besaß, welcher mit einer schweren Eisenklappe versehen worden war. Zwei Riegel; einer um nach dem Rechten zu sehen und einer um das Essen durchreichen zu können, waren darin eingelassen. Schwere Ketten, spannten sich zusätzlich zu festen Schlössern über die kleine Luke und am dreckigen Fußboden, waren mehrere Kerzen und ein hölzernes Gotteskreuz aufgestellt worden. Das Symbol des Christentums, wiederholte sich in Form von Kreidezeichnungen und gekrakelten Psalmen an der dunklen Mauer.

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„Unser Priester sieht regelmäßig nach dem Rechten und spricht die Gebete des Herren, bevor er das Loch mit Weihwasser reinigt und uns vor der Dienerin des Satans schützt. Vor ihr und ihrer Schülerin.“ Der Wachmann wirkte beim Anblick der Kerzen und frommen Gleichnisse, gleich um einiges ruhiger und spuckte vor dem schweren Eisenzugang aus. „Lange wird es nicht mehr dauern und die Hexe fährt just an den Ort, zu dem sie unsere Stadt machen wollte: Die Holle! Da kann sie sich dann mit den Teufeln und Dämonen vergnügen.“ Nachdem der Wachmann sich bekreuzigt hatte, warf er einen prüfenden Blick auf die beiden Gesandten und nickte knapp. „Wir haben sie ausgehungert, damit ihr das Zaubern und Verfluchen gleich um einiges schwerer fällt. Zu zweit und auch zusammen mit der Präsenz des Herrn rund um ihr Gefängnis, sollte sie euch keine Probleme machen werte Heilkundige. Trotzdem würde ich Vorsicht walten lassen und mich nach Möglichkeit beeilen.“ Er grinste. „Nicht das ich annehme, ihr hättet besonderen Gefallen daran euch mit diesem Gezücht abzugeben aber Pflicht ist nun mal Pflicht nicht wahr?“ Zusammen mit einem weiteren Wachmann, wurden daraufhin die schweren Schlösser und Ketten entfernt und die Luke, hinter der endlose Schwärze lag geöffnet. Es stank bestialisch nach verbrauchter, fauliger Luft. Der Wachmann reichte Leif eine große Sturmlaterne; Alida erhielt eine rußgeschwärzte Fackel. „Bedauerlicherweise, ist diese Kammer recht niedrig und schlecht durchlüftet. Genau der richtige Ort für Hexen und dergleichen, nur leider nicht für tapfere und mutige Bürger wie ihr es seid.“ Die Schultern des Wachmanns glitten ein Stück nach oben. „Aber ich bin sicher, es ist nicht das erste Gefängnis in dem ihr nach dem Rechten sehen musstet. Falls ihr noch etwas benötigen solltet, ruft einfach. Ich werde euch einen Eimer warmes Wasser holen aber eine Wache ist immer in Rufreichweite. Zögert nicht Verstärkung zu rufen, wenn die Hexenhure ihre dunklen Mächte auf euch wirken will. Dann können wir sie noch vor dem Feuer in die Verdammnis schicken! Und achtete auf eure Gehilfin: Frauen verfallen noch schneller ihrem finsteren Zauber wie es scheint.“

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Sobald die Brügger den Verschlag betreten hatten, wurde hinter ihnen die Eisenklappe verschlossen und die schweren Schritte der Wachleute entfernten sich hallend. Die zusätzlichen Schlösser und Ketten, wurden allerdings ausgespart, da man offensichtlich im Falle des Falles, unverzüglich eingreifen wollte. Im Inneren des schwarzen Lochs, stank es noch widerlicher als davor und zu ihrer Überraschung mussten die Kainiten feststellen, dass der Raum doch ein wenig größer war, als es die Luke annehmen ließ. Aufrecht stehen konnte man dennoch nicht und so blieb einem nichts Anderes übrig, als gebückt durch feucht-nasses, vergammeltes Stroh zu robben und gelegentlich dürre Ratten und Ungeziefer zu verscheuchen, das es sich hier bequem gemacht hatte. Alida fand eine Halterung für ihre Fackel und konnte die niedrige Zelle damit ausreichend beleuchten, um nicht über Dreck und Rattenkadaver stolpern zu müssen. Die Pechfackel warf zusammen mit Leifs Laterne ein flackerndes Licht gegen die fensterlosen Wände und offenbarte die Silhouette zweier Frauen, die in der hintersten Ecke des Raumes, gegen die Wand gelehnt ihrem Schicksal entgegen harrten. Eine der beiden, starrte die plötzlichen Besucher sichtlich gefasst an und wirkte trotz ihrer Situation, seltsam gefestigt. Das pechschwarze, lockige Haar sammelte sich unter der Kapuze ihres Wollmantels, und fiel in sanften Wogen auf ihr ledernes Wams. An ihrem Hals, prangte eine silberne Medaille an einem Stoffband. Die zweite Frau, schien um einiges jünger und bei weitem verzweifelter als ihre Mitgefangene. Sie hatte sich in den Schoß der älteren gekauert und die rötlichen Ränder um ihre Augen, machten deutlich das sie sich bereits sehr lange ihrer Trauer und Schwermut hingegen hatte. Noch immer schluchzend und wimmernd, vergrub sie das Gesicht zwischen den Stofflagen des Mantels und rang erfolglos um Beherrschung. Das einst wohl hübsche Gesicht, stand vor Dreck und schmierigem Ruß. Das Mädchen schluchzte in den Saum des Mantels der Älteren.

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„Bitte... bitte… ich…“. Dann brach ihre Stimme, als die dunkelhaarige Frau ihr beruhigend die Hand auf den Kopf legte. „Sch... Sch… du musst keine Angst haben Kind. Sie sind nicht wegen dir hier, sondern wegen mir.“ Jetzt erst, glitt ihr Blick langsam über Leif und Alida; maß sie von Kopf bis Fuß. „Ist es nicht so Fremde? Seid ihr nicht der blutgetriebene, wandelnde Tod, der zu dieser schicksalshaften Stunde an meine Pforte klopft? Starre Diener der Atrophie, gefangen in der Welt des Vergehens und des Wiederauferstehens. Verdammt auf ewig in der Finsternis, stillstehend und unveränderlich, dem Strom der Zeit entrinnend?“ Ihr linker Mundwinkel, hob sich kaum merklich und eine seltsame und unerklärliche Ruhe, erfüllte die Präsenz der Frau. Sie wirkte geradewegs so, als ob ihre baldige Hinrichtung in diesem Moment nicht unerheblicher sein könnte. „Euer Geruch drang sogar über all diesen faulenden Unrat zu mir heran. Er kündet von Blut, so wie er das immer tut.“ Der zweite Mundwinkel verzog sich zu einem äußerst schmalen Lächeln.

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„Was wollen die Toten von einer einfachen Frau, die gelegentlich hinter den Vorhang der Welt blickt? Seid ihr gekommen um euch an mir zu nähren? Ich verspreche euch: Es wird euer Streben nach Macht oder Wissen nicht mehren. Doch tut euch keinen Zwang an geschätzte Mörder, versprecht mir nur das Mädchen zu schonen.“

Re: Deliver us from Evil

Do 1. Jun 2017, 20:16

Leif folgte dem Wachmann schweigend und dachte über seine Worte nach. Die Männer schienen wirklich Angst vor der Frau zu haben und sich mit aller Macht gegen ihren Einfluss schützen zu wollen. Vorsicht war sicherlich wichtig, aber würde die Frau wirklich so viel Macht besitzen, könnten sie ein paar an die Wand gemalte Kreidezeichnungen sicherlich nicht aufhalten. Als sie die Gefangene, oder besser gesagt die Gefangenen erreicht hatten war der Heiler von ihrer Jugendlichkeit mehr als nur überrascht. Er wusste nicht genau warum, aber er hatte irgendwie eine alte Vettel mit wirren grauen Haaren und einem Gestank nach saurer Milch erwartet. Hieß es nicht das die Frau schon lange Jahre in der Umgebung lebte? Vielleicht hatte sie doch Macht, oder die Fantasie der Bewohner von Gerhardsbergen war einmal mehr interessanter als die Realität gewesen. Leif schaute mit einem Seitenblick zu Alida und antwortete der armen Frau dann mit freundlicher Stimme. „Wir sind nicht hier um irgendwem Schaden zuzufügen. Weder euch, noch eurer...“ Der Heiler wusste nicht genau in welchem Verhältnis die beiden Frauen zueinander standen und entschied sich schließlich für eine neutrale Variante. „...eurer Mitgefangenen.“ Der Unrat und der Gestank nach fauler, verbrauchter Luft zerrten an Leifs Nerven beinahe mehr als er gewohnt war. Er kannte die Gerüche voin Krankheit, Tod und Verderben gut, aber normalerweise konnte er sich ganz auf das Heilen konzentrieren, ohne sich mit jemandem über so delikate Themen unterhalten zu müssen. Der Nordmann atmete unnötigerweise einmal tief durch den Mund ein und schloss die Augen für einen Moment um seine Umgebung ein wenig besser ausblenden zu können. Dann sprach er weiter. „Im Gegenteil wir sind hier um zu helfen und dieser furchtbaren Krankheit auf den Grund zu gehen. Könnt ihr uns irgendeinen Hinweis über den Wahnsinn geben der hier vorgeht?“ Leif schaute zu der Tzimisce neben sich und wartete auf ihre Einwürfe und Fragen. Er wusste sie war ungeduldig und er war noch immer überrascht, dass sie hier war und sich nicht sofort auf die Suche nach Frederik und Marlene gemacht hatte.

Re: Deliver us from Evil

Mo 5. Jun 2017, 16:19

Alida blickte skeptisch zu den beiden Frauen. Es verwunderte sie zutiefst, dass die Frau, die man hier als Hexe verschrien hatte, von ihrer wahren Natur zu wissen schien. Wer war sie? Ein Magus? Ein Kainit. Sie suchte nach den tief in ihr ruhenden Kräften und versuchte mehr zu sehen als das bloße Auge zu erkennen gab, aber mehr als die intensive Aura, die Sterblichen inne war, konnte sie nicht erfahren. Es fiel ihr schwer Worte zu finden. Diese Frauen waren hier iengesperrt, von allen verhasst und verachtet und warteten nur darauf, dass man sie zum Scheiterhaufen geleiten würde. Und nun standen Leif und sie in ihrer winzigen Zelle und baten um Hilfe für die Menschen da draußen, für diese Stadt, die sich nichts sehnlicher wünschte als sie tot zu sehen. Alida schüttelte schließlich den Kopf unfähig das auszusprechen, was ihr wirklich alles im Kopf herum geisterte. „Nein, wir sind nicht hier um euch zu schaden…“

Die Blicke der in sich ruhenden, dunkelhaarigen Frau fixierten die beiden Besucher mit einer Mischung aus zurückgehaltener Skepsis und leichtem Amüsement. Ihre Hand reichte etwas geistesabwesend an ihre Seite, um dort eine kleine Tonschale anzuheben und diese der jüngeren Frau zu reichen. Aufmuntert strich sie ihr durch das Haar und über die schmutzigen Wangen. „Trink noch etwas, mein Kind. Es wird dir guttun.“ Unbeholfen setzte das Mädchen stockend an und trank in abgesetzten, wackeligen Zügen. Zwischenzeitlich betrachtete die Hexe erneut Leif und Alida. „Ihr wollt keinen Schaden anrichten und seid hier, um dem Abgrund der sich in Gerhardsbergen auftut Einhalt zu gebieten? Das nenne ich in der Tat eine willkommene, wenn auch höchst überraschende Wendung.“ Ein heiseres Lachen entfuhr ihrer Kehle. „Ist es nicht seltsam, wie schnell aus Freunden doch Feinde werden können? Wie aus den vermeintlichen Mördern die Engel der Gnade werden?“ Ihre Hand begann wieder das zitternde Mädchen am Hinterkopf zu streichen, welches ein erneutes Schluchzen unterdrückte. „Früher hat man mich für meine Weisheit und Kräuter geschätzt. Alte Weiber kamen wegen dem Rücken, die Tuchmacher wegen der Gelenke. Und die Jugend fand sich heimlich bei mir ein, um einen Liebestrank zu erstehen. Nicht einmal tat ich etwas Unrechtes, nicht einmal konnte man mir Lasterhaftigkeit vorwerfen. Meine Mutter und vor ihr deren Mutter haben immer schon hier gelebt und die Lehren des Heilens an die Tochter weitergegeben. Jahrelang blieben wir unbehelligt doch nun…“ Die Hexe verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln. „Nun soll ich für diesen Wahnsinn verantwortlich sein und den Höllenfürsten in unsere Stadt gebracht haben. Damit nicht genug, soll Siegrid hier auch noch meine unheilige Schülerin sein, der ich meine finsteren Geheimnisse verraten wollte.“ Ihr Blick glitt zu dem Mädchen. „Sie ist schwanger und der Vater weiß nichts von seinem Glück, genauso wenig wie die Eltern des armen Dings. Und bevor wieder irgendwelche engstirnigen Familiensitten auf ihr Recht beharren hat sie mich um Rat gefragt. Allein ihre Anwesenheit bei meiner Festnahme hatte genügt um sie mit auf die Anklagebank zu bringen. Soviel Unrecht in nur einer Nacht. Soviel Tod und Verderben lastet auf diesem Flecken Erde.“

Ihre Augen verengten sich und bohrten sich nunmehr tief in Leifs. „Uns will man hinrichten um ein gemeinschaftliches Gewissen zu beruhigen und einen toten Gott zu besänftigen. Das wird diese Stadt auch nicht retten, so wahr ich des Heilens mächtig bin. Die Frage ist nur: Wenn aus einer Kräuterfrau eine Gespielin des Teufels werden kann, kann aus einem Blutsäufer und Nachtwandler ein Erlöser werden?“ Es dürfte den beiden Ratsmitgliedern, spätestens in diesem Moment klarwerden, dass die Frau ihnen nicht wirklich zu trauen schien. „Was schert euch diese Stadt oder unser Schicksal?“ Dass Siegrid, ihre Mitgefangene in jenem Moment alles mitanhören konnte, schien ihr dabei augenscheinlich recht egal zu sein.
Leif lauschte aufmerksam, während er sich in der kleinen Zelle umschaute. Einen genauen Plan um von hier zu entkommen, hatte er noch nicht, aber das hatte noch Zeit. „Ich weiß nicht genau, was ihr hören wollt, gute Frau, aber ich mag das Absolute nur äußerst ungern. Ich bin weder ein geistloser Blutsäufer noch ein Erlöser, sondern wie ihr ein Heiler und die aktuelle Situation reicht mir bereits völlig um besorgt zu sein und etwas unternehmen zu wollen. Der Tod breitet sich von Gerhardsbergen bereits aus und wenn wir die Quelle nicht ausfindig machen können, wird es vielleicht noch viel mehr Opfer geben. Das würde ich gerne verhindern, wenn ich kann, denn niemand verdient einen solch grausamen Tod.“ Jetzt war es an Leif den Blick der Hexe zu suchen. „All das hat aber noch einen Moment Zeit, denn ich halte nichts davon, dass ihr oder Sigrid hier für den Wahnsinn büßen müsst den diese Stadt erfasst hat. Wir werden euch hier herausholen. Es wird heute keinen Scheiterhaufen geben - nicht wenn es irgendwie in meiner Macht steht.“ Leifs Stimme war ruhig, auch wenn ihn die Situation unglaublich wütend machte. Kein Mann und keine Frau hatten ein solches Schicksal verdient.

Alida hob eine Augenbraue und versuchte mit Mühe den skeptischen Blick zu unterdrücken, den sie Leif zuwerfen wollte. Was um alles in der Welt versprach der Salubri den beiden Frauen? Wie wollte er sie hier lebend herausbekommen? Sie schluckte, schwieg dann jedoch und wartete.

Die Hexe tat es bei Leifs Worten Alida gleich und beäugte zunächst den Salubri, dann die Tzimisce äußerst kritisch. Das Lächeln war so plötzlich von ihrem Gesicht verschwunden, wie es gekommen war. Dafür verantwortlich schien allein die Tatsache zu sein, dass sie geradewegs in diesem Moment erkannt hatte, dass der Heiler es offenbar bitterernst mit seinem Rettungsversuch zu meinen schien. Sie nickte also nur mehrmals und mit jedem Nicken schien ihr Vertrauen gegenüber den beiden Kainiten ein wenig zu steigen. Sie hatte keinen Grund den beiden zu vertrauen, und Gerhardsbergen war, soweit man es derzeit sagen konnten, ohnehin dem Tode geweiht. Ganz zu schweigen von ihrer eigenen Hinrichtung. Was immer sie also sagte oder tat, war dementsprechend bedeutungslos und die bemerkenswerte Aussicht, Hilfe von zwei Untoten zu erhalten, war immerhin besser als nichts. Die dunkelhaarige Frau atmete einmal tief ein und aus; drückte dabei das Mädchen fester an sich. „Haltet mich nicht für dumm. Mir ist durchaus bewusst, dass es in Wahrheit nur wenige von eurer Sorte gibt, die es genießen in üppigen Blutseen zu waten. So naiv seid nicht einmal ihr. Dennoch erlebte ich es selten, dass mit eurem Erscheinen je etwas Gutes passiert wäre und wenn doch, dann diente es eurer Art schlussendlich doch auf die eine oder andere Weise. Doch muss ich euch recht geben…“ Ihr Blick fiel kurz auf das Mädchen in ihrem Schoß. „Was will ich in diesem Augenblick meines Lebens, so kurz vor dem Ende noch hören?“ Ihr Kopf glitt langsam von links nach rechts. „Mein Schicksal ist vorherbestimmt und endet bald, doch ihres und dass dieser Stadt muss nicht enden. Nennt mich verbohrt und nachtragend, aber ich schulde dieser Stadt, die mir lediglich den Tod wünscht und mich dermaßen verrät, rein gar nichts. Rettet das einzige, das sich in dieser Nacht noch nicht schuldig gemacht hat – rettet Siegrid und bringt sie in Sicherheit…“ Ihre Augen funkelten im Schein der flackernden Lampe. „… und ich helfe euch diese Stadt und vermutlich noch viele weitere zu retten. Ihr vermögt womöglich, so die Vorsehung es will, wozu ich nicht mehr in der Lage sein werde.“

„Niemand kann und wird euch zwingen einen Ausbruchsversuch zu wagen, aber meiner Meinung nach habt ihr nichts mehr zu verlieren. Wenn ihr euch einfach zur Schlachtbank führen lassen wollt, dann werde ich euch nicht daran hindern.“ Leifs Stimme hatte weder Ironie noch Vorwurf in sich. Er akzeptierte ihre Entscheidung, egal was er selbst davon hielt. Sein Blick glitt zu Alida. „Ich werde mich zuerst einmal um diese Ketten kümmern. Meine Idee wäre Siegrids Ableben durch die Krankheit vorzutäuschen und sie damit hier rauszuholen. Wenn dir etwas Besseres einfällt, bin ich aber ganz Ohr.“ Der Nordmann kniete sich hin und suchte in seiner Tasche nach ein paar Dietrichen. Während er begann die Ketten aufzubrechen flüsterte er beinahe zu der mysteriösen Kräuterfrau. „Also ihr scheint etwas mehr über diese Vorgänge zu wissen. Was könnt ihr uns berichten?“

Das alles hier war für Alida zu waghalsig. Sie verspürte Entsetzen und Mitleid, wenn es um das Schicksal der beiden Frauen ging und sie verfügte über die Möglichkeit zumindest eine der beiden hier herauszuholen, aber das würde der Jüngeren zu viel über ihre wahre Natur enthüllen und sie wusste, dass weder Leif noch sie selbst in der Lage wären ihr dieses Wissen wieder zu nehmen. Vorsichtig suchte sie einen Weg zu dem Salubri Kontakt aufzunehmen ohne sich laut besprechen zu müssen und tatsächlich spürte sie, dass er sie verstand. ‚Ich könnte eine der beiden so aussehen lassen wie Alida van de Burse. Du bekämst sie heil raus und ich finde, so hoffe ich zumindest, einen Weg aus diesem Kerker. Aber das Risiko ist gewaltig. Ich denke, niemand gehört in die wahre Natur unserer Existenz eingeweiht, von dem wir nicht absolut überzeugt sind, dass wir ihm vertrauen können. Bisher sind die Worte der Kräuterfrau nur Worte, die das Mädchen irgendwann anzweifeln mag, wenn wir handeln, so wie wir es vermögen, dann ist das etwas anderes.‘ Leif konnte sogar in den nicht ausgesprochenen Gedanken die Zweifel hören.

Leif verstand Alidas Befürchtungen. Sie schuldete beiden Frauen nichts und das Risiko war in der Tat nicht gering. Er antwortete prompt in ihren Gedanken. 'Wenn dir das zu viel wird, geh und such nach Marlene. Dann machen wir uns einen Treffpunkt aus und finden später wieder zusammen. Alles in mir verlangt aber, dass ich wenigstens der jüngeren Frau helfe, wenn ich kann. Ich kann sie nicht einfach zurücklassen, dass wäre einfach nicht richtig und ich kann nicht anders.' Leif überlegte fieberhaft und hatte dann eine Entscheidung getroffen. ‘Ich werde versuchen mich mit Siegrid hier raus zu schleichen. Das Fleischformen ist in der Tat zu riskant unter diesen Umständen. Das kann keiner von dir verlangen.'
Mithilfe seiner Erfahrung im Schlösserknacken und dem richtigen Werkzeug zur Hand, war es für Leif ein leichtes die schweren, teilweise auch schon angerosteten Arm- und Fußfesseln sowohl der Kräuterfrau, als auch Siegrieds zu lösen. Leise klirrend rasselte das dunkle Metall über den rauen Zellenboden. Siegried hatte während der ganzen Zeit nur leise geatmet; hin und wieder den Kopf in Richtung der miteinander sprechenden Anwesenden gedreht und ansonsten geschwiegen. Jetzt, da der Heiler auch ihre Ketten gelöst hatte, rieb sie sich die Augen und schüttelte energisch den Kopf. „Nein! Du darfst dich nicht einfach hinrichten lassen! Du bist unschuldig und die Leute wissen das! Tief in ihnen drin, wissen sie es. Sie sind nur… verblendet und haben Angst.“ Die junge Frau hatte gar nicht gemerkt, wie sie beim Sprechen kontinuierlich lauter und eindringlicher geworden war. Die Hexe ihrerseits machte sie mit einer Geste ihres Zeigefingers darauf aufmerksam. „Sch… Schweig still, Kind! Die Wache darf uns nicht hören. Und was unsere lieben Bürger angeht, so sind diese längst über das Niveau von Angst und Verblendung hinaus. Sie sind verzweifelt und werden allmählich wahnsinnig in ihrem Tun.“ Behutsam legte die dunkelhaarige Frau ihre Arme auf die Schultern der Jüngeren. „Es mag in deinen und auch in den Augen dieses Mannes wie dummes Märtyrertum aussehen, aber es erfüllt dennoch seinen Zweck. Die ganze Stadt denkt, ich wäre für das hier verantwortlich. Einige Stimmen flüstern auch von dir als meine ‚dunkle Schülerin‘. Wenn ich plötzlich verschwinde, ist das der endgültige Beweis, dass die höllischen Heerscharen einmarschiert sind. Ich sagte, dass mir die Stadt in ihrer närrischen Dummheit egal sei, aber das stimmt nicht ganz. Selbst wenn mich der Großteil verurteilt, so gibt es einige, die ich schützen will. Wenn ich plötzlich verschwinde, werden sie andere Sündenböcke suchen. Deine Familie vielleicht oder andere. Ich mag zwar verächtlich über meine Mörder sprechen, aber nicht alle haben den Tod verdient. Wenn ich sterbe und ihr noch rechtzeitig ein Heilmittel für diese teuflische Seuche finden könnt, so wird es aussehen, als ob durch meinen Tod das Böse von dieser Stadt abgelassen hätte.“ Sie drehte sich zu dem Salubri. „Ich glaube nämlich nicht, dass man euch so einfach Glauben schenken wird, wenn es heißt die Hexe wäre an ihrem eigenen Fluch gestorben.“

Sie seufzte. „Was diese Seuche angeht, so kann ich mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass sie aus keinem natürlichen Ursprungs entstanden ist. So wie die Dinge liegen, war der Erstüberträger tatsächlich einer dieser sehr zudringlichen, abends immer gut angetrunkenen, italienischen Handwerker. Unterwegs hat er wohl auch seine Kameraden angesteckt. Dazu noch diverse Lieferanten, Freudenmädchen, Kutscher, Unterhändler und andere Bürger von Gerhardsbergen. Da diese jedoch naturgemäß auch in andere Städte reisen, ist es sehr gut denkbar, dass die Krankheit sich auch dort sehr bald manifestieren wird.“ Die Frau strich eine dunkle, lockige Strähne aus dem Gesicht. „Der Weg vom Süden bis nach Gerhardsbergen ist weit und wenn er tatsächlich dort unten damit angesteckt wurde, so hätte die Krankheit viel früher ausbrechen müssen. Das tat sie aber nicht. Ich schließe also daraus, dass jemand den Ausbruch auf irgendeine Art und Weise verzögert hat, bis die Seuche ihren endgültigen Bestimmungsort erreicht hatte. Dann muss er sie irgendwie ‚aktiviert‘ haben; was lächerlich anmuten mag; jedoch so lächerlich auch wieder nicht, wenn man bedenkt, dass ich eine schwach magische Komponente in dieser zähschwärzen Masse entdecken konnte.“ Die Hexe pausiert kurz, um ihre bisherigen Ausführungen wirken zu lassen.

Alida sah Leif fragend an. ‚Hier sind überall Wachmänner. An fast jeder Tür, in den Gängen. Du kommst mit dem Mädel nicht raus, es sei denn schlachtest dich durch.‘ Sie unterdrückte ein lautes Fluchen, drehte sich dann wieder dem Heiler entgegen. ‚Vicissitudo, Fleischformen, scheint mir der erfolgversprechendere Plan zu sein. Wir müssten die Möglichkeit haben, sie vergessen zu lassen. Kennst du irgendjemanden, der über die Möglichkeit verfügt, das zu bewerkstelligen?‘

‘Ich kenne niemanden der uns kurzfristig helfen könnte, Alida.’ Leif ging in seinen Gedanken für einen Moment die Möglichkeiten durch. Charlotte war noch immer an Hardestadts Hof in Deutschland, Theresa war für einige Zeit nach Namur gegangen und ob ihr Sheriff zuverlässig in der Lage war Erinnerungen zu verändern, wusste Leif einfach nicht. ‘Dann versuchen wir es mit meiner Idee und lassen das Mädchen tot aussehen. Die Wachen würden sich nie trauen sie anzufassen. Insbesondere nicht wenn sie denken, sie sei an der Krankheit gestorben.’

Alida sah ihn fragend an. ‚Wie willst du das anstellen?‘

'Ein bisschen Blut und Schmutz um die Mundwinkel. Vielleicht noch ein paar Flecken ins Gesicht. Die Wachen haben wenig Grund uns zu misstrauen.'
Alida schüttelte den Kopf. ‚Genauso wenig haben sie Grund uns so weit zu vertrauen… Das ist riskant… Zu riskant.‘ Sie versuchte sich zu sammeln, sah dann zu dem rotblonden Mädchen. „Hör zu, Siegrid. Wir sind tatsächlich in der Lage dich hier raus zu bekommen. Aber das funktioniert nur unter einer einzigen Bedingung: Wenn du exakt das tust, was wir sagen. Wenn wir sagen: Bleib hier stehen, dann bleibst du stehen, wenn wir sagen, rede mit niemandem, dann redest du mit niemandem!“ Ihr Tonfall war bestimmt und ließ keinen Zweifel offen, dass sie es ernst meinte. Sie war nur ungern bereit ihre Existenz für eine Unbekannte aufs Spiel zu setzen und noch dazu die Traditionen zu brechen. Sie zog den Brief, den sie am Tor von Gerhardsbergen von dem jungen Wachmann entgegen genommen hatte hervor und reichte ihn an das Mädchen weiter. „Ich denke, es gibt vieles da draußen für das es sich lohnt uns zu vertrauen auch wenn es schwer fallen mag.“

Das Mädchen nickte sorgenvoll, schwenkte dabei den Blick aber immer wieder in Richtung ihrer dunkelhaarigen Aufpasserin; nach wie vor halb gelähmt von ihren abschließenden Worten. Die ‚Hexe‘ würde hier unten sterben, damit andere leben konnten. Und ironischerweise würde sie damit vielleicht doch noch auf indirekte Art und Weise die Stadt retten. Das heißt, wenn diesen merkwürdigen Besuchern zu trauen wäre. Gefangen zwischen dem, was es bedeuten mochte, wenn sie hier ohne die Hexe fliehen würde und dem, was Alida ihr bereits jetzt versuchte unablässig einzubläuen, griff sie schlussendlich mit großen Augen und halb offenem Mund nach dem Brief. Ohne ihn auch nur geöffnet oder überflogen zu haben, schien sie bereits in diesem Moment zu wissen von wem er stammte. Siegrid presste die Augenlider nieder und eine kleine Träne rann ihre Wangen hinab. Zwischen den auf ihren Mund gepressten Fingern hauchte sie ein knappes: „Er… er hat mich nicht vergessen. Er… ist hier…. Er liebt mich…“ Dann schien ihr die Stimme zu versagen, als ihre Mitgefangene ihr mitfühlend eine Hand auf den Rücken legte. „Du weißt, ich habe viele Mittel und Wege Wunden zu heilen, Verbände anzulegen und manchmal sogar kleine Wunder zu vollbringen. Aber ich kann dich nicht hier rausbringen, Siegrid. Das…“ Sie sah zu Leif und Alida. „Wirst du nun diesen beiden hier überlassen müssen. Dein Geliebter wartet auf dich, genauso wie das Leben. Deines, und wenn du es dir noch einmal überlegst, vielleicht auch das eures Kindes. Wenn es in solchen Zeiten etwas zu schützen gibt, dann ist es das Leben.“ Siegrid kämpfte mit den Tränen und gab diesen schlussendlich nach; umarmte die dunkelhaarige Frau stürmisch, die sie beruhigend in den Armen wiegte. An Leif gewandt meinte die ältere Frau leise, Siegrid dabei den Rücken streichelnd: „Ich weiß, dass es besser für sie wäre, wenn sie nicht tiefer in die Geheimnisse der Bosheit dieser Welt blicken würde. Entweder ihr findet eine Lösung, oder ich kann euch einen meiner Tränke anbieten.“

Sie entließ das Mädchen aus ihrer Umarmung und küsste sie lächelnd auf die Wange, dann sah sie zu den Kainiten. „Durch Gerhardsbergen rast der gnadenlose Tod und überall wo er hingelangt, hinterlässt er Verderben und Schmerz. Ich kann euch nicht sagen, wer diese Krankheit erschaffen hat oder wer sie hierhergebracht hat. Das ist für den Moment allerdings auch unerheblich. Wichtig ist nur zu wissen, dass es vielleicht eine Möglichkeit gibt den um sich schlagenden Tod zu stoppen, bevor er unaufhaltsam wird. Und um das zu tun, müsst ihr Tod mit wild wucherndem, üppigen und alles überstrahlendem Reichtum an Leben und Vielfalt begegnen. Ihr müsst Sonne in die Finsternis tragen und Farben in die schwarze Leere.“ Ihr Blick glitt erneut ernst und konzentriert von Leif zu Alida und wieder zurück. „Wenn ihr es hier hinausschaffen solltet, so geht zu meiner Hütte im Wald. Es kann gut sein, dass sie durchwühlt wurde, was aber für das, was ich euch mit auf den Weg geben werde auch keine Rolle mehr spielt. In meinem Garten, steht eine kleine Vogelscheuche und direkt im Erdreich darunter, werdet ihr eine Schatulle finden. Legt eure Hand auf sie und sprecht die Worte: „Nebelschleier – Feuertanz“ und sie wird sich öffnen. Nehmt das, was ihr darin findet und verwahrt es gut. Dann geht von meiner Hütte aus nach Osten, bis ihr an einen alten, hohen und verfallenen Turm gelangt, umgeben von wucherndem Dickicht und gewundenen Pfaden. Direkt hinter dem Turm werdet ihr in einen sonderbaren, gemauerten Garten gelangen. Am Ende des Gartens werdet ihr prachtvolle Blumen und Pflanzen erblicken, welche die steinernen Säulen umranken. Bezahlt den Wächter mit dem, was ihr in meiner Schatulle gefunden habt und geht dorthin, wo Tod keine Bedeutung hat, weil das Leben allgegenwärtig ist. Sucht einen Mann namens Güldenglanz – er kann euch verraten, was ihr tun müsst.“ Sie machte eine knappe Pause. „Aber seid gewarnt, nichts ist umsonst, weder der Tod, noch das Leben.“
Rasch kam sie noch ein Stück näher zu den Kainiten und sprach in schnellerem Flüsterton: „Und wenn ihr keine Möglichkeit finden solltet das Mädchen vor allzu viel Wissen zu bewahren, dann sucht in meiner Hütte nach einem Fläschchen mit einer Lilie und verabreicht es ihr mit etwas Wasser. Bedenkt dabei aber, dass es den letzten Ausweg darstellen sollte. Setzt es nur ein, falls ihr selbst keine andere Möglichkeit finden solltet.“ Mit einem kräftigen Nicken, quittierte sie ihre eigenen, abschließenden Worte.

Leif versuchte sich all das Gesagte so genau wie möglich einzuprägen und wunderte sich einmal mehr wer, oder genauer gesagt was diese sogenannte ‘Hexe’ eigentlich war. Es gab noch immer Dinge zu erfahren - auch wenn man schon so lange gelebt hat wie er. “In Ordnung.” Leif nickte leicht. “Dann ist es also entschieden. Ich wünsche euch Frieden und Stärke für euer Opfer” Der Salubri verbeugte sich leicht vor der wundersamen Frau und beobachtete schließlich Alida nachdenklich. Irgendwann lächelte er ermutigend, bevor er der jungen Siegrid wie zur Bekräftigung und Ermutigung eine Hand auf den Arm legte. “Also dann. Was genau hast du vor?” Er konnte in etwa erahnen, was die Tzimisce vorhatte, aber jetzt lag es in ihrer Hand.

Alida zögerte einen Moment, dann seufzte sie. „Das weißt du doch…“

Sie sah noch ein Mal zu der Heilerin. „Ihr seid eine tapfere und mutige Frau, eine der Magi, wenn mich nicht alles täuscht. Ich hoffe, dass ihr hier heraus kommt. Es wäre schade um jemanden wie euch. Ich werde für euch beten… Darf ich euch um einen letzten Gefallen bitten?“ Sie zog das wertvolle Medaillon aus der Tasche, das Leif auf den Stufen ihres Zuhause gefunden hatte. „Vermögt Ihr mir zu sagen, was das hier ist und warum es jemand an unserer Pforte liegen ließ?“

Re: Deliver us from Evil

Mo 5. Jun 2017, 16:57

Der Blick der dunkelhaarigen Frau, wurde für einen kurzen Moment starr und wirkte gedankenverloren, als Alida das Wort ‚Magi‘ gebrauchte. „Ich fürchte nicht“. Sie schüttelte sachte aber bestimmt den Kopf. „Die hermetischen Magi dieser Zeiten, halten nicht viel von anderen Individuen, die sich der natürlichen Kräfte des Kosmos und der Erde bedienen.“ Ihr Blick glitt zu Alida, als sie vorsichtig und äußerst behutsam das schwere, kostspielige Medaillon entgegennahm. „Ich praktiziere eine intuitive und lebendige Kunst, die den Herren der verborgenen Türme und Kavernen, völlig fremd ist. Und was einem fremd ist, das fürchtet man für gewöhnlich. Ich halte mich von ihnen fern und warum auch immer ich euch diesen Ratschlag gebe: Das solltet ihr auch tun Nachtwandler. Ihr seid für diese werten Herren, auch nur ein weiteres Rätsel das erforscht, in seine Komponenten zerlegt und anschließend weggeworfen werden kann.“ Mit einem Schmunzeln fügte sie hinzu: „Aber ich danke euch für eure guten Wünsche, den Großteil solltet ihr jedoch für diese Stadt aufsparen. Mein Schicksal steht fest; das Schicksal von Flandern jedoch, liegt nunmehr in euren Händen.“

Mit gerunzelter Stirn und angestrengten Blick, ließ sie wenige Augenblicke später ihre schmalen Finger über die Vertiefungen und kunstvollen Schnörkel des glänzenden Kleinods gleiten. „Ihr habt es auf eurer Türschwelle gefunden? Das ist bereits ein schlechtes Omen, denn wer würde so eine Kostbarkeit dort platzieren? Und es ist viel zu schwer und solide, als dass man es so leicht verlieren könnte.“ Die Frau drehte und wog das Medaillon in der Hand und strich über den silbernen Mond; die goldene Sonne. „Es strahlt eine kleine, fast unscheinbare Energie aus und ist deshalb ohne Frage mit einem Zauber belegt worden. Genaueres über den Urheber und die Art der Magie, kann ich aber so ohne weiteres nicht sagen. Die Inschrift bereitet mir ebenfalls Sorgen: Fata viam invenient – Das Schicksal wird einen Weg finden.“ Nachdenklich hob sie den Kopf und sah in Richtung der beiden Kainiten. „Ich denke ihr erinnert euch, das ich davon sprach, wie jemand eine Art Auslöser für die Seuchenüberträger angefertigt haben könnte? Es müsste magischer Natur sein und dieses Stück hier ist definitiv magischen Ursprungs. Natürlich kann ich es nicht beschwören aber es könnte durchaus sein, dass dieses Kleinod zweierlei Funktionen erfüllt: Durch einen gewissen Reiz; eine Berührung, ein Wort oder Ähnliches, wird ein magischer Impuls gesandt der die Krankheit in den Wirten zum Ausbruch bringt. Wenn ich recht habe und ihr es in eurer Stadt gefunden habt, so wird dies wohl bereits geschehen sein. Demnach wird die Seuch auch in eurer Heimatstadt ausbrechen.“

Mit dem Zeigefinger tippte sie auf das Medaillon. „Über die Machart und Handwerkskunst, kann ich euch nicht viel berichten außer, dass es einen erfahrenen Meister braucht um ein derartiges Kunstwerk zu schaffen. Die verwendeten Materialien allein finanzieren einen kleinen Krieg und so bleiben nur die reichsten Länder und Städte übrig. Wenn ich also bezüglich des Auslösers recht behalten sollte, und wir die Spur der Krankheit zurückverfolgen, würde ich annehmen, dies hier ist venezianischen Ursprungs. Alles Weitere, müsst ihr einen sehr versierten Feinschmied fragen.“ Sie reichte das Medaillon an Alida zurück und atmete dabei tief ein. „Es ist überdies eine symbolhafte Nachricht, die über die reine Gravur hinausgeht möchte ich meinen. Eine Nachricht, die nur der richtige Empfänger verstehen wird.“ Erneut fixierte sie zunächst Alida, danach Leif.

„Sonne und Mond stehen für vieles, für Licht und Wärme, für Schlaf und Vergessen. Da sie aber gemeinsam miteinander verschmolzen sind, werden die Gegenteile aufgehoben und das gemeinsame in den Vordergrund gerückt: Zeit. Es geht um die Zeit. Tag und Nacht, Ebbe und Flut, Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Die Zeit wird euer Schicksal besiegeln – so kann die Nachricht interpretiert werden. Da wir davon ausgehen, dass dieses Medaillon mit der Seuche zu tun hat, würde ich wenn ich es nicht besser wüste sagen, der Urheber hat euch hiermit eine eindeutige Botschaft hinterlassen. Außerdem…“, sie rümpfte die Nase und schnüffelte ein paar Mal angewidert in der Luft, „… riecht es geradezu penetrant nach totem Blut.“

Re: Deliver us from Evil

Mi 7. Jun 2017, 15:20

Die Worte in Leifs Kopf schienen zu verschwimmen und doch versuchte er sich die geheimnisvollen, beinahe verrückt klingenden Worte der Frau einzuprägen. Er zweifelte an keinem einzigen ihrer Worte und doch wirkten sie als wären sie einer Geschichte oder einem Märchen entrissen. Er nickte der Frau nur mit Respekt zu. Sie hatte ihren Weg gewählt, den Weg ihres eigenen Unterganges und Leif würde nicht versuchen sie in dieser Entscheidung umzustimmen. Es gab genügend Männer und Frauen in Gerhardsbergen und wahrscheinlich auch bald in anderen Städten Flanderns, die keinen Einfluss darauf nehmen konnten wie sie diese Welt verließen und auch wenn der Feuertod über alle Maßen grausam war, hatte es doch etwas befreiendes seinem Ende mit hoch erhobenen Kopf begegnen zu dürfen. Der Heiler verstand sie und neigte ein letztes Mal, zum Abschied sein Haupt und sah dann Alida und die verängstigte, junge Frau an. Mit Mitleid und Ehrlichkeit adressierte er das Mädchen. „Hör mir genau zu Siegrid. Ich weiß du hast viel Grausames erleben müssen, aber wir werden dir helfen. Dafür musst du aber noch ein letztes Mal stark sein. Für dich, dein Kind und deine Familie. Bitte mach was meine Freundin dir sagt und schrecke nicht zurück. Es kann noch alles gut werden, aber dafür musst du uns vertrauen.“ Dem Salubri war bewusst das er nicht wenig von der verängstigten Frau verlangte. Er konnte sich in der Tat vorstellen was Alida vorhatte und ihm Leif ein Schauer über den Rücken. Ihn stießen die Kräfte des Fleischformens im erheblichen Maße ab und es war wohl am Besten, dass Siegrid nicht wusste was genau mit ihr geschah. Er suchte den Blick der blonden Händlerin. Es sollte Zuversicht darin liegen und zeigte aber auch eine Aufforderung, denn jetzt lag es an der Formerin.

Re: Deliver us from Evil

Mo 12. Jun 2017, 20:49

Alida schluckte schwer. Sie ballte die Hände zu Fäusten und presste die Fingernägel in die Handflächen um den Schmerz zu spüren. Die Worte der Kräuterfrau deuteten in eine vermaledeite Richtung und sie wünschte, all das Gesagte würde nicht zu guter Letzt mit dem Wort 'Venedig' zu fast eindeutigen Gewissheit. ‚Die Zeit wird euer Schicksal besiegeln, das Schicksal wird einen Weg finden…‘ Waren das die Worte, die ihnen Milena entgegen schmettern wollte? Ein Fluch als Rache für ihre Niederlage in Venedig? Ein Fluch, der für Brügge an der Türschwelle der Van de Burse begann? Alida wurde mit einem Mal speiübel und sie musste an sich halten um das Gefühl nieder zu kämpfen. Was um alles in der Welt tat sie hier, wenn in Brügge derweil ein Bürger nach dem nächsten der Seuche anheimfiel? Am liebsten hätte sie noch in dieser einen Sekunde dieser Erkenntnis alles getan um einfach wegzurennen, zurück nach Hause, wo sie vermeintlich dringender gebraucht wurde.
Sie riss sich zusammen. Das alles war Irrsinn… Was auch in Brügge vorgehen mochte: Sie war hier, konnte hier vielleicht etwas ausrichten, vielleicht ein Mittel finden, das die Seuche verlangsamte oder gar herausbekommen, wer der Urheber von all dem war. In Brügge wäre sie so machtlos wie jeder Sterbliche, der hilflos mitansehen musste, wie die Menschen um ihn herum erkrankten, verzweifelten und schließlich starben. Ihre Gedanken blieben bei Hendrik hängen, der ihnen zuletzt mit vorwurfsvollem Blick in gent nachgesehen hatte als sie abgereist waren, und mit letzter Willensanstrengung schob sie den Gedanken zur Seite und konzentrierte sich auf das jetzt und hier. „Wer ist dieser Güldenglanz?“ richtete sie ihre Worte an die Zauberin.
Noch während sie der Antwort lauschte, suchte sie erneut Zugang zu Leifs Geist. Leif konnte bemerken, dass ihr Vorschlag, der nun folgte, zögernd ausgesprochen wurde. „Ich habe die Möglichkeit auch die Zauberin ein anderes Antlitz zu verpassen: deines… Aber dann fehlt dir jede Möglichkeit hierheraus zu entkommen. Richtig?“

Re: Deliver us from Evil

Di 13. Jun 2017, 18:06

(Ich schiebe hier mal noch eine kurze Antwort von Leif dazwischen, weil ich glaube das es ganz gut passt. ;) )

Es war als wäre plötzlich ein Fenster geöffnet, welches neue Luft, neue Ideen und Überlegungen in einen Raum ließ, der viel zu lange an seinen eigenen Dämpfen gemodert hatte. Alida hatte Recht, diese Idee war ihm gar nicht gekommen. Leif nickte der Tzimisce anerkennend zu, wandte sich aber direkt an die Magi. Seine Stimme war leide und schnell, denn er wusste das sie nicht mehr viel Zeit hatten. „Hört mir zu. Meine Freundin hat Recht. Sie könnte auch euch helfen, wenn sie euch nach meinem Bildnis formt. Ich habe zwar nicht die Möglichkeit mich unsichtbar zu machen, verstehe mich aber auf Heimlichkeit und das Knacken von Schlössern. Ich glaube ich kann aus diesem Turm ausbrechen, aber die Entscheidung liegt noch immer bei euch. Ihr könnt euren langen Opferweg antreten, wenn ihr meint das dies die richtige Entscheidung ist, oder ihr kommt mit uns. Wie auch immer ihr wählt, wir werden das Ergebnis respektieren. Unabhängig davon was wir selber denken.“ Der letzte Satz war sowohl Ermutigung als auch Versicherung. Alida wollte diese Frau inzwischen offenbar ebenso gerne retten wie er. Wahrscheinlich handelte es sich hierbei weniger um Nächstenliebe, als darum einen weiteren Verbündeten gegen die Krankheit in der Hinterhand zu haben, aber das spielte auch keine Rolle. Einen Ausweg gab es noch, doch mehr als anbieten konnten sie diesen nicht.

Re: Deliver us from Evil

Mi 14. Jun 2017, 08:46

Es ergab erschreckenderweise, bei näherer Betrachtung der derzeitigen Umstände durchaus Sinn was die Hexe Alida und Leif zu dem merkwürdigen Medaillon erzählte. Gewiss waren Seuchen und Krankheiten keine Seltenheit und kamen so schnell, wie sie wieder vorüberzogen während dutzende und manchmal sogar hunderte einen kläglichen Tod fanden. Aber die Art der Symptomatik, der perlende Schweiß und das gallertartige, schwarze Erbrochene, ließen keine andere Annahme zu, dass hier jemand perfide nachgeholfen hatte. Noch dazu schien eine besonders bösartige Art von Magie mit im Spiel zu sein und man hatte diesbezüglich keinerlei Grund an den Aussagen der Kräuterfrau zu zweifeln. In Venedig, hatte die Zeit gegen die Brügger Ratsabgeordneten gearbeitet, bis man Milena und ihre Verbündeten, an der Durchführung ihrer wahnsinnigen Pläne gehindert hatte. Die Untoten dazu zu verdammen, hilflos zusehen zu müssen wie all das, was ihnen lieb und teuer war jämmerlich zugrunde ging, von ganz basalen Jagdgründen bis hin zu wichtigen Kontakten, Freunden und engen Vertrauten, Ressourcen und sicheren Zufluchten, zeugte von einem sorgfältig geplanten und gezielten Vorgehen. Nebenbei war es natürlich vollkommen irrsinnig, da das eigentliche Ausmaß der Bedrohung, bei Ausbruch der Seuche nicht unmittelbar einschätzbar war. Sollten sich die einzelnen Indizien und Puzzleteile demnach tatsächlich zu einem Bild zusammenfügen, dass die verfluchte Tremere als Urheberin erkennbar werden ließ, so musste sie an ihrem eigenen Hass und ihrer giftigen Bitterkeit ja förmlich erstickt sein. Doch welche Ironie wäre es, wenn den Brüggern dieses Mal genau das zum Verhängnis würde, was sie dem Kult in der Lagune durch ihren tapferen Einsatz versagt hätten? Diese Art Rache wäre süß wie der süßeste Honig aus Antwerpen und kälter als die russische Tundra im Winter.

„Güldenglanz…“, meinte die Hexe vorsichtig und etwas ausweichend an Alida gewandt, „… ist Händler und handelt mit ganz besonderen Gegenständen, Tränken und allerlei wirren Kostbarkeiten. Er… hält nicht besonders viel von den Menschen und zieht es vor, sich so wenig wie möglich mit ihnen zu beschäftigen.“ Ihr Blick ging etwas verloren in Richtung des verdreckten Kerkerbodens. „Seine Waren sind nicht von dieser Welt und bergen eine enorme Macht in sich, deshalb verlangt er auch horrende Preise und ist zerfressen von seiner eigenen Gier. Doch gelegentlich, lässt er sich dazu herab über die Summe zu verhandeln oder Gefallen anzunehmen. Ihr werdet einiges an Verhandlungsgeschick, Überzeugungskraft und nicht zuletzt Geduld brauchen, wenn ihr euch mit Güldenglanz trefft.“ Ihre dunklen Augen wanderten langsam wieder zu den beiden Kainiten. „Wenn er euch nicht helfen kann, dann kann es in so kurzer Zeit niemand. Er ist wohl die beste Chance für Gerhardsbergen.“ Kaum waren die letzten Worte gesprochen, richtete sich ihre Aufmerksamkeit zunächst wieder recht misstrauisch auf den Salubri. Nach und nach jedoch, wandelte sich dieses Misstrauen in ein teils interessiertes, teils gedankenverlorenes Nicken.

„Ich bin nicht verrückt oder möchte als Märtyrerin sterben; das war nie meine Absicht“, murmelte die Kräuterfrau in sich gekehrt. „Ihr müsst wissen, die Linie meiner Ahnen ist nicht nur mit der Gabe gesegnet sich die Kräfte des Unsichtbaren zu Willen zu machen, sondern verfügt darüber hinaus über die Fähigkeit des prophetischen Träumens.“ Verlegen strich sie sich eine der dunklen Locken aus dem Gesicht. „Viel mag man nicht zu erkennen aber es ist in meiner Familie gegeben, dass wir unser eigenes Ende unausweichlich kommen sehen. Manche sehen es als Fluch, andere als Segen. Nur sind die Bilder dabei niemals ganz klar und vollkommen; eher Fetzen und Eindrücke, die man deuten muss so gut man es vermag.“ Sie fixierte erneut die beiden Kainiten. „Mein Untergang ist die Nacht, was immer dies bedeuten mag. Und auch wenn ich zunächst glaubte in euch beiden mein symbolisches Ende gefunden zu haben, so wird mir mehr und mehr klar, dass dies noch nicht das Ende ist.“ Ihr Kopf schüttelte sich vehement und ihren Augen glomm der Funken einer erstarkenden Erkenntnis.

„Ich habe offenbar noch eine Aufgabe zu erfüllen, bevor mich der ewige Traum in seiner dunklen Umarmung wiegt. Und ich gedenke diese zu vollenden, ganz gleich ob ich mich dafür mit dem Zorn der Wildnis oder dem seelenlosen Tod verbünden muss.“ Sie nickte. „Ich nehme euren Vorschlag an. Zwar kann ich vor Ort in Gerhardsbergen nichts mehr ausrichten, denn dieser Weg scheint euch beschieden zu sein. Doch wenn ihr es wollt, so werde ich mich mit diesem magischen Medaillon auseinandersetzen und versuchen, eine Möglichkeit zu finden den auslösenden Zauber umzukehren. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, damit einen weiteren Ausbruch in eurer Stadt verhindern zu können aber sollte dieses Artefakt die Intensität und die Übertragung der Seuche über seine eigentliche Funktion hinaus intensivieren, so habe ich euch zumindest Zeit verschafft. Vielleicht verhindere ich auf diese Art sogar den initialen Ausbruch bei einigen; dazu kann ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Einschätzung abgeben.“

Ihre dunklen Augen funkelten energisch als sie ein letztes Mal bekräftigend nickte. „Bringt uns unversehrt aus diesem Kerker, dann können wir gemeinsam versuchen diesen Alptraum zu beenden.“ Sigrid hatte sich über die restliche Dauer des Wortwechsels nur verwirrt und teilweise sogar regelrecht eingeschüchtert, an die Schulter der Älteren gelehnt. Naturgemäß verstand sie so gut wie überhaupt nichts von den Inhalten, die augenblicklich in dieser stinkenden Zelle diskutiert wurden. Aber das musste das Mädchen auch nicht: Ihr Geliebter wartete in inbrünstiger Liebe und Besorgnis auf sie und hatte sie in all der Zeit nicht vergessen, während es zudem den Anschein machte, als ob die Frau an ihrer Seite, nun doch nicht mehr einem frühzeitigen Tod entgegenblicken würde. Alida und Leif machten ihr offenbar dennoch ein wenig Angst, denn das sie es hier keinesfalls mit gewöhnlichen Menschen zu tun hatte, war selbst ihr mittlerweile eindringlich klargeworden. Ihre Finger umfassten die Hand der Hexe und drückten sie fest. Leise flüsterte sie mit geröteten Augen: „Ich bin so froh… Ich will gar nicht wissen was… ihr da macht aber… du darfst nicht sterben.“ Die Kräuterfrau drückte nun ihrerseits ebenfalls beruhigend die Hand der Jüngeren und versuchte sich an einem aufbauenden Lächeln. Dann sah sie innerlich gefasst zu ihren Besuchern.

„Wir sind bereit Bluträuber. Ich hoffe was immer ihr vorhabt, ist auch wieder umkehrbar.“

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Re: Deliver us from Evil

Do 15. Jun 2017, 11:30

„Dann ist es beschlossen.“ Der Heiler ließ den Satz im Raum stehen und spürte wie er von einer ungewöhnlichen Endgültigkeit begleitet wurde. Ab jetzt mussten sie handeln und es konnte noch immer eine ganze Menge schief gehen. Er überlegte und ihm wurde bewusst, dass sie noch keinen der anderen Männer untersucht oder begutachtet hatten. Dieser Fakt würde Aufmerksamkeit erregen, insbesondere weil die beiden Gefangenen kurz nach ihrem Besuch verschwinden würden. Leif hatte das Gefühl noch eine Runde gehen zu müssen um den Verdacht von ihnen abzulenken und außerdem könnte er Alida so ein wenig mehr Zeit verschaffen ihre ‚Kunst‘ zu wirken. Der Salubri griff in seine Tasche und platzierte die Ledertasche mit den Dietrichen die er immer bei sich trug unter etwas von dem dreckigen Stroh, dass über den Boden verteilt war. Die gegerbte Tierhaut fühlte sich weich in seiner Hand an, während er versuchte seine Sinne so wenig mit dem Miasmen des Raumes zu belasten wie irgendwie möglich. Blut, Schweiß und Fäkalien waren sein tägliches Brot als Heiler und auch wenn er für all das eine gewisse Toleranz aufgebaut hatte, roch es in dieser Kerkerzelle ohne ordentliche Belüftung oder Räucherwerk doch besonders schlimm.

Alles was hier geschah, wirkte einmal mehr zu wahnsinnig um wahr zu sein, aber paradoxerweise ergab all das Leid so zumindest langsam Sinn. Wenn dies wirklich ein Vergeltungsschlag für das Eingreifen des Rates in Venedig war, dann gäbe es keinen besseren Weg als dort zuzuschlagen, wo es jeden von ihnen besonders treffen würde – Flandern selbst. Ein eiskalter Schauer lief über Leifs Rücken und sein Magen fühlte sich an, als wäre bitterste Galle darin ausgegossen worden. Diese niederträchtigen Schweine. Wut flammte in Leif auf und vertrieb das ekelerregende Gefühl in seinem untoten Körper. Die Herde eines Kainiten anzugreifen, sei es aus Rache oder purer Bosheit war für Leif eines der widerwärtigsten Verbrechen, welches die Kinder der Nacht in seinen Augen begangen. Es gab immer Situationen in denen ein Mensch für sein Blut geopfert werden musste und ob das richtig und falsch war musste jeder mit seinem Gewissen ausmachen. Aber tausende Menschen ohne Grund und auf grausamste Art und Weise verrecken zu lassen, war selbst für einen Kainiten widerwärtig. Er ballte seine Fäuste zusammen. Verzweiflung war kein Gefühl dem Leif viel Spielraum in seinen Gedanken ließ. Im Gegenteil, es fühlte sich immer an als würde er ein kratzendes zu enges Gewand tragen das nicht für ihn gemacht war. Der Kampf würde schwer werden, war vielleicht sogar aussichtslos, aber das hatte ihn noch nie aufgehalten. Eins nach dem anderen. Jetzt ging es darum dieses Gefängnis zusammen mit der Hexe und Siegrid zu verlassen. Güldenglanz würde noch warten müssen. „Alida?“ Er suchte den Blick der Formerin. „Ich kann dir ein bisschen Zeit verschaffen, aber du musst dich beeilen.“ Der Salubri nickte den beiden Gefangenen noch einmal ermutigend zu und ging dann zur Tür. „Wärter?“ Die Worte des Heilers waren kräftig. „Ich habe dem Frauenzimmer alles erklärt. Sie wird sich jetzt die Hexen untersuchen. Bitte führt mich inzwischen zu den anderen Gefangenen.“
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