Di 30. Mai 2017, 07:55
Der Offizier, der soeben noch die Pferde der Brügger an die erst kürzlich aufgestellte Tränke, bestehend aus einem bauchigen Holzfass mit der klingenden Aufschrift ‚Gurken‘ führen wollte, machte eine zutiefst dankbare und erleichterte Verbeugung. „Vielen Dank, edle Herrschaften, Gott wird euch eure gute Tat gewiss vergelten. Und so es dem Allmächtigen gefällt, werde ich meine Liebste auch bald wieder in die Arme schließen können.“ Wie gut oder schlecht die Lage in Gerhardsbergen dabei für das geschulte Einschätzungsvermögen sowohl Alidas als insbesondere auch Leif dann tatsächlich ausfallen mochte, bemerkte der junge Reiteroffizier dabei nicht. Er gab sich mit dem zufrieden, was die Sterblichen allgemein Hoffnung nannten; selbst dann noch wenn die aufbauenden Worte und wohlgemeinten Versprechungen in den Ohren der beiden Brügger selbst mittlerweile etwas hohl und leer erschienen.
Leif hatte kein Problem damit die Nachricht in der Stadt weiterzuleiten. Es war eine Qual nicht zu wissen wie es jenen ging um die man sich wirklich sorgte, und der Salubri vermutete stark, dass Alida bei dem Schicksal des Mannes an Marlene und Frederik erinnert wurde. Er nickte nur kurz und zustimmend, bevor er sich der Wache zuwandte. Er wusste worauf die Tzimisce anspielte. „Bevor wir die Stadt betreten habe ich noch eine Frage. Uns wurde von einer Heilkundigen, einer Kräuterfrau berichtet die es hier geben soll.“ Der Salubri wartete, bis ihr Begleiter sich völlig auf das neue Thema eingestellt hatte. „Ich bin neugierig, ob diese Frau etwas mehr über die Krankheit weiß, immerhin soll sie schon viele Jahre hier leben und hat solch eine Plage vielleicht schon einmal erlebt oder von ihr gehört. Daher könnte ihr Wissen von entscheidender Bedeutung sein um die Belagerung um die Stadt zu beenden und die Leute in ihr vielleicht doch noch zu retten.“ Leif klang absichtlich etwas positiver als er wirklich war, in der Hoffnung, dass der Wachmann kooperativ sein würde. Immerhin wusste man nie, ob der Ruf einer alten Kräuterfrau nicht doch eher der eine Hexe war, bei der man lieber über die Schulter spuckte und sich dreimal bekreuzigte. „Also könnt ihr mir helfen? Lebt diese Frau in der Stadt? Oder finden wir sie hier irgendwo in der Umgebung?“
Das darauffolgende, überraschte Blinzeln des Offiziers, der seine Aufmerksamkeit dabei wieder zurück auf den Heiler lenkte, spiegelte neugieriges Interesse als auch offene Verwunderung wider. Ein leichtes Nicken, begleitet von einem langgezogenen ‚Hm‘, war die erste Reaktion des Mannes. „Ah ja, ich glaube, ich weiß, wen ihr meint. Da ich ja immer wieder in Gerhardsbergen vorbeikomme, habe ich gewollt oder ungewollt auch ein wenig über die Stadt erfahren. Tatsächlich soll es so eine Frau hier geben, man nennt sie soweit ich weiß, Helena. Siegrid sprach, glaube ich, einmal über sie und erwähnte, dass sie in einer kleinen Hütte etwas weiter östlich von hier wohnt. Ich selbst habe sie nie gesehen.“ Der Offizier holte gerade noch etwas Luft um erneut anzusetzen, da wurde er durch die raue Stimme eines Wachmanns am Tor, unhöflich unterbrochen.
„Die gibt’s schon, Herr Leutnant“, meinte der Wächter, sich dabei etwas beschämt räuspernd, weil er sich erdreistet hatte das Gespräch des Vorgesetzten zu belauschen. „Oder besser gesagt: Gab es. Soweit ich weiß, haben die Bürger nach den ersten, schweren Krankheitsfällen angefangen einen Schuldigen zu suchen und dabei auch diese Kräuterfrau aus ihrer Hütte geschleppt und inhaftiert. Jetzt sitzt sie im Kerker und wartet auf den Prozess. Man kann sich vorstellen, dass auch gerade die Kirche darauf besteht, alle mutmaßlichen Diener des Satans, wieder zu diesem zurückzuschicken. Das Ganze hat bereits stattgefunden, bevor unsere Truppen hier angerückt sind, und ich glaube mich zu erinnern, dass es lange gedauert hat bis der Statthalter von Gerhardsbergen, dem Druck des örtlichen Pfarrers und einiger vehementer Gläubiger nachgegeben hat.“ Wie um sich erneut zu entschuldigen, vollführte der Wächter abermals eine überaus großzügige Verbeugung. „Bitte vielmals um Entschuldigung, Herr Leutnant, und die werten Herrschaften, aber die Dame wird wohl bald das erste Opfer einer öffentlichen Hexenverbrennung in der Stadt.“
Der Offizier sah zunächst etwas ungehalten zu der Torwache, entschied dann aber offensichtlich, dass diese Information schwerer wog als sämtliche Unhöflichkeiten. Mit einem Nicken deutete er dem Untergebenen an, dass so alles seine Richtigkeit hätte und er keinen Rapport zu befürchten hätte. Seufzend sah er zu den beiden Brüggern. „Ich denke, das wird nicht das letzte Opfer sein, dass sich angeblich mit dem Bocksfüßigen verbündet hat. Es wird wohl nur noch schlimmer werden.“
Alida hätte sich am liebsten mit der Hand über die Stirn gefahren und das Unglück verflucht, das ihnen immer schon zwei Schritt zuvor zu sein schien, doch sie riss sich notgedrungen zusammen. „Habt Dank für eure Auskünfte.“ Es wären ihr noch dutzende Bemerkungen eingefallen, aber sie biss sich auf die Lippen. Dann sah sie zu Leif. „Lass uns gehen. Desto weniger Zeit wir verlieren, desto besser“
Zu viel geschah hier gleichzeitig für Leif um noch an Zufälle zu glauben und auch seine Miene verhärtete sich während er sprach. "Auch ich danke euch. Trotzdem sollten wir jetzt gehen. Jede Stunde ist kostbar." Leif schaute zu der Tzimisce neben sich. "Ich bin soweit." Dann ging er mit bestimmten Schritt voran.
Der Offizier salutierte respektvoll vor Ihnen, als die beiden sich verabschiedeten und durch das bedrohlich wirkende Haupttor an den beiden Wächtern vorbeischritten. Für gewöhnlich lag darin ja nun nichts Besonderes, aber unter Berücksichtigung der aktuellen Lage in der Stadt, spürten die beiden Kainiten wie sie die Augen der Sterblichen beim Betreten von Gerhardsbergen förmlich vor Anspannung aufspießten. Jeder wusste: Wer einmal die Stadt betrat kam entweder geheilt oder gar nicht mehr wieder. Derzeit überwogen eindeutig die weniger vom Glück Gesegneten.
[Theme: ]Gerhardsbergen war dunkel und beinahe totenstill. Die Bevölkerung hatte sich wohl in die Behausungen zurückgezogen und harrte sorgenvoll der Schrecken, die da noch kommen mochten. Nur gelegentlich, hörte man im Vorbeigehen ein klägliches Kinderweinen oder ängstliches Wimmern aus den abgedunkelten Fenstern, manchmal bellte in der Ferne ein Hund oder jemand wisperte ein zitterndes Gebet. Die einst blühende Stadt der Tücher war ein vor sich hinsterbendes, karges Tal des Unheils geworden, das langsam verendete und dem Wahnsinn, Vorzug vor Vernunft gab. Die ersten Stadtwachen von Gerhardsbergen entdeckten die beiden Brügger auf ihrem Weg zum Schuldturm, der ihnen nach einiger Beratschlagung, als erster Anlaufpunkt geeignet schien. Immerhin konnte niemand sagen, wann die ‚Hexe‘ jetzt tatsächlich zur Hölle geschickt werden sollte. Möglich, das gerade in diesem Augenblick bereits das Reisig aufgeschichtet wurde. Die finsteren Blicke der Wachleute trafen beide Kainiten wie ein dunkles Vorzeichen: Klar und deutlich war das Misstrauen und die beginnende Paranoia in den mit tiefen Ringen umrandeten Augen zu erkennen. Natürlich hatten die Männer die wichtige Aufgabe jeden ‚Krankheitsverdächtigen‘ sofort ins Lazarett zu überführen, aber mittlerweile war das Urteilsvermögen wohl bereits ein wenig durch schreiende und sterbende Mitbürger getrübt worden. Man gab sich als neu eingetroffene Heilkundige zu erkennen und bekam etwas wortkarg den weiteren Weg gewiesen, den man ohnehin auf der Karte vermerkt hatte. Auf einem hölzernen Leiterwagen transportierten die Wachsoldaten sorgfältig gestapelte, barfüßige Leichen, die sie mit schweren Planen bedeckt hatten. Leif und Alida konnten fünf Personen zählen und ein paar Kinderfüße. Die Seuche hatte sich eine weitere Familie geholt. „Auf geht’s“, rief der Wachkommandant. „Solange die Öfen noch genug Brennmaterial haben.“ Wenigstens hatten die örtlichen Heiler dafür gesorgt, dass infizierte Verstorbene unverzüglich verbrannt wurden. Medizinisch gesehen die richtige Entscheidung – es machte nur das Gefühl dabei nicht besser.
Sobald sie aus dem Sichtbereich der Sterblichen getreten waren blickte Alida zu Leif und schüttelte den Kopf als würde sie alles m sie herum nicht recht wahrhaben wollen. „Warum, Leif, erscheint mir das, was wir hier tun, so unglaublich…“ Sie seufzte und behielt für einige Schritte ihre Gedanken bei sich. „Sag mir, glaubst du, wir können hier wirklich was ausrichten?“
Leif überlegte lange bevor er etwas sagte und schaute Alida dann nachdenklich an, während er flüsterte. "Was hier passiert ist der pure Wahnsinn. Aber trotzdem sollten wir alles in Erfahrung bringen, was wir nur irgendwie können und wenn es uns auch nur hilft ein paar mehr Menschen in der Grafschaft zu warnen, bevor das Schicksal von Gerhardsbergen zum Schicksal von ganz Flandern wird."
Alida presste die Finger in die Handflächen. „In deine Worte könnte man interpretieren, dass du wenig Hoffnung für Gerhardsbergen siehst…“ An ihrem Tonfall war unschwer auszumachen, dass dies eine Feststellung und keine Frage war. „Ich sage es nur ungern, aber ich gebe dir, nach allem was ich sehen konnte recht, ohne deine Heilkünste in Frage zu stellen.“
"Diese Krankheit ist nicht natürlichen Ursprungs, Alida, da bin ich mir inzwischen sehr sicher." Leif schien in der Dunkelheit etwas zu suchen, was aber wohl nicht da war - oder sich auch nicht einfach so offenbaren zu wollen. "Aber unabhängig davon was es ist, fühle ich mich von dem, was hier passiert herausgefordert. Es ist einfach nicht richtig sich an den Ärmsten und Schwächsten auf solch schändliche Art und Weise zu vergehen und wenn wir uns nicht für die Kranken, Sterbenden und Unvorbereiteten einsetzen, dann tut es niemand."
Die Händlerin seufzte. „Ich verstehe, wenn du den Menschen helfen willst, aber es sind zu viele… Dazu sind wir nicht in der Lage. Zumindest bin ich es nicht auf diese Art und Weise. Ich kann einen Tross mit Nahrungsmitteln und Kleidung herfahren lassen, aber damit hat es sich dann bereits.“ Sie überlegte. „Solltest du recht haben und es wirklich eine nicht natürliche Ursache der Seuche geben, dann bleibt uns vielleicht zumindest die Möglichkeit in irgendeiner Weise eingreifen zu können. Wenn es einen Verursacher für dieses Leif gibt, dann lässt er sich vielleicht aufhalten…“
Leif schüttelte mit dem Kopf. „Du verstehst nicht, was ich eigentlich sagen will, Alida.“ Der Salubri schien die nachfolgenden Worte schon öfters gesagt zu haben, zumindest in seinem Kopf. „Die Sethskinder nähren uns und ermöglichen uns eine Existenz, egal wie verdammt man sie ansieht. Aber sie brauchen uns viel weniger als wir sie, und deshalb ist es unsere Pflicht uns um sie zu kümmern, so gut wir können. Ein Schäfer mag gelegentlich ein Schaf schlachten, aber insgesamt möchte er das es der Herde gutgeht, denn dann geht es ihm gut. Viele Kainiten scheinen diese einfache Wahrheit nicht zu verstehen, oder wollen lieber nicht wahrhaben wie wichtig Menschen eigentlich für uns sind. Es gibt genug Beispiele, insbesondere im Ost...“ Leif brach sofort ab und schaute, beinahe ein wenig verlegen zu Alida. Er hatte vergessen mit wem er sprach, entschied sich nach einer kurzen Pause aber weiterzusprechen. „...im Osten bei den Tzimisce, aber auch in anderen Domänen. Ich weiß, dass man nicht jeden Menschen retten kann, aber es geht auch nicht immer darum zu gewinnen. Manchmal muss man es einfach versuchen. Soviel Anstand und Mitgefühl sind wir den Sterblichen für unsere Taten und unser Verhalten schuldig. Das denke zumindest ich, egal wie schwer, unangenehm oder deprimierend diese Aufgabe manchmal sein mag.“ Alida nickte bei seinen Worten bedächtig. Ihre Vorstellung von Herde und Sterblichen war wohl in gewisser Hinsicht eine andere, dennoch verstand sie Leifs Ansicht und seine Beweggründe. Vor ihnen kam der Schuldturm in Sicht.
Der Schuldturm, war in Gerhardsbergen mehr ein großes, weitläufiges Haus mit dicken und hohen Mauern war, an welchen lediglich ein etwas höherer Turm angrenzte, der wohl als Aussichts- und Wehrturm diente. Es brannten verhältnismäßig viele Fackeln in den Haltern und warfen lange Schatten auf die dunklen Pflastersteine. Mehrere Gardisten flankierten das Gebäude und bewachten eine schwere beschlagene Eingangstür, welche offensichtlich in die Wachzentrale und die Gefängniszellen führte. Der opulente und ebenfalls gut gesicherte Prachtbau unlängst der Wachstube war ganz eindeutig als Sitz des Statthalters zu identifizieren. Missmutig und kritisch beäugte ein unrasierter Wachmann die Neuankömmlinge. „Heda, ihr beide! Es herrscht Ausgangssperre, wie ihr wisst. Bleibt in euren Häusern und verhaltet euch ruhig, andernfalls werden wir andere Saiten aufziehen müssen. Ihr wollt doch nicht zu den Verbrechnern und Mördern gesteckt werden, hm?“
Alida suchte nach dem Dokument, das ihnen Balduin gereicht hatte und das sie als Heiler auswies. Sie reichte es an Leif weiter. Sie wusste, er würde mit dieser Erlaubnis wohl keine Minute brauchen um ihnen Zutritt zu verschaffen. Leif nahm das Schreiben und schaute die Wachmänner direkt an. „Wir sind Heiler, die hier in der Stadt ihr nötigstes zur Unterstützung beitragen wollen, sollen und vielleicht auch können.“ Er hielt das Schreiben hin. Er wusste nicht ob die Männer überhaupt in der Lage waren zu lesen, aber es sah wunderbar offiziell aus. „Ich muss die Männer und Frauen im Kerker sehen. Ich will wissen, ob sie bereits krank sind, und wenn ich sie mir angeschaut habe, mag uns das bei dem ganzen Wahnsinn hier weiterhelfen.“ Leif seufzte einmal tief und versuchte es noch etwas diplomatischer. „Wir sind alle müde und erschöpft wegen der Krankheit, und ich weiß ihr Wachmänner tut nur euren Arbeit, trotz der schwierigen Umstände. Ich will nur die meine tun, also lasst mich bitte durch.“
Der ungepflegte Wachmann, der wohl in diesen Nächten besseres zu tun gehabt hatte als seinen fransigen Bart zu stutzen, beäugte das tatsächlich sehr amtlich aussehende Dokument mit prüfendem Blick und kratzte sich am Hals. „Hmpf. Das scheint soweit wohl alles seine Ordnung zu haben, verzeiht.“ Dass es ihm nicht wirklich leidtat, war allein am Tonfall zu vernehmen, aber das konnte den Kainiten in diesem Fall wohl recht egal sein. Was zählte war, dass sie Einlass zu den Zellen erhielten und Gelegenheit bekämen die Hexe zu sprechen. „Jochen, geh den beiden mal aufschließen und gib ihnen alles, was sie für ihre äh… Untersuchungen so brauchen“, meinte er an einen Kameraden gewandt, der wiederum nur kurz die Schultern hob und hart an die Eingangstür klopfte. Nachdem ein Riegel kratzend von innen zur Seite geschoben wurde, bedeutete er Leif und Alida zu folgen. „Hier entlang, geschätzte Gelehrte, aber grämt euch nicht, wenn ihr bei denen hier versagen solltet. Die haben es ohnehin nicht besser verdient“, meinte er schief lächelnd.
Er führte sie vorbei in einen größeren Eingangsbereich mit breitem Schreibtisch, an dem wohl ansonsten Bürger zunächst empfangen wurden und danach ihr Begehren der Wache vortrugen. Links und rechts des Eingangs befanden sich scheinbar weitläufige Flure mit Speise, Schlaf- und Waffenräumen, die daran angrenzten. Der Wachmann sperrte jedoch eine weitere Tür hinter dem Schreibtisch auf und betrat eine gewundene, breite Wendeltreppe, die nach unten führte. Es roch modrig und feucht, der Schimmel an den teilweise rissigen Steinen zeigte, das hier nicht besonders großer Wert auf Sauberkeit gelegt wurde. Ganz eindeutig waren sie auf dem Weg zu den Gefängnissen. Am Ende der Treppe fanden sich die Brügger in einem wahren Labyrinth aus Gängen und kleineren und größeren Zellen wieder, an deren Wänden Fackeln rußig flackerten. Wachmänner drehten gelangweilt und gähnend ihre Runden und die derzeitigen Gefangenen waren eine überschaubare Anzahl von größtenteils männlichen Straftätern, die zwar offenbar ausreichend genährt, dafür umso dreckiger und zerlumpter wirkten. Als die beiden Kainiten vorbeigingen, sahen die meisten in Ketten gelegten und auf bräunlichem Stroh sitzenden und liegenden Männer nicht einmal zu ihnen hoch. „Hier sind die Diebe und Betrüger untergebracht“, verkündete der Wachmann ohne die Gefangenen eines Blickes zu würdigen.
Mit einem Finger deutete er etwas den Gang entlang. „Dann haben wir noch ein paar Mörder und Vergewaltiger im nächsten Zellenblock und dann gibt’s noch die Hexe. Aber die braucht ohnehin niemand mehr zu untersuchen – die bekommt ihre gerechte Strafe demnächst durch das reinigende Feuer, meine geschätzten Gelehrten. Was benötigt ihr für eure Untersuchungen? Ich nehme an, warmes Wasser für den Anfang?“
Alida nickte. Vielleicht würde es einige Zeit dauern bis der Mann mit dem warmen Wasser zurück käme. Eine verheißungsvolle Aussicht. „Vielleicht sollte man mit der Hexe anfangen. Ein Wesen, dass so nah mit dem Bösen verkehrt hat, muss am ehesten in dessen Einfluss geraten sein und wird uns vielleicht die meisten Erkenntnisse liefern?“ Sie äußerte ihre Gedanken als spräche sie nur mit Leif direkt, denn sie hatte keinerlei Interesse daran von einem möglicherweise selbst schon in Glaubensfragen verzerrten Geist eines Gerhardsbergers für ungebührliches Verhalten als Weib angeklagt zu werden.
„Es tut mir leid, aber mein Auftrag lautet jeder Gefangene und ich werde meine Aufgabe zur Zufriedenheit meines Lehnsherren erfülllen.“ Leif hatte genügend medizinische Geräte und Flüssigkeiten bei sich um als der Heiler erkannt zu werden, der er in Wirklichkeit auch war. Ohne lange zu suchen fand er ein Fläschchen in seinem Tornister, entkorkte es und gab sich ein paar Spritzer auf die Hände. Der beengte Raum begann sofort nach scharfem Essig zu riechen, der mit ein paar aromatischen Kräutern versetzt wurden schien. Er schüttete auch Alida ein paar Tropfen in die Hände, verstaute die Flüssigkeit dann wieder und zerrieb das Mittel zwischen den Fingern. „Wir fangen mit der Hexe an, denn dann kann meine Gehilfin wieder gehen. Sie ist nur hier weil ich das Weibsbild nicht mit meinen eigenen Händen anfassen kann, ohne ein Risiko einzugehen.“ Ob es sich dabei um Flüche, eine Ansteckung oder der einfache Ekel vor einem weiblichen Körper handeln mochte ließ Leif bewusst aus. Der Wachmann konnte sich seine eigene Geschichte zusammenreimen. Noch bevor dieser antworten konnte suchte er den Blick des Mannes. „Also wo geht es zu dem Hexenweib.“